In "Maudie", einer anrührenden Filmbiografie, verkörpert Sally Hawkins eine verkrüppelte Hungerkünstlerin. Hawkins bezaubert in ihrer Rolle die Zuschauer, verzaubert ihr Haus und verhext den Rüpel an ihrer Seite mit schierer Sturheit.
Von Stefan Benz
Kulturredaktion Darmstadt
Maud Lewis (Sally Hawkins) hat ihre ärmliche Hütte innen und außen bemalt. Foto: Duncan Deyoung
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Es war einmal eine krumme Frau, die lebte mit einem ungehobelten Fischverkäufer in einer winzigen Bruchbude an der Küste der kanadischen Provinz Nova Scotia und malte sich ihr armseliges Leben schön. Die Lebensgeschichte der Maud Lewis (1903-1970) liest sich wie ein Märchen vom armen Mädchen, das einen Frosch küsst, ihn zu seinem Prinzen ernennt und einen Schatz hebt, der in ihr selbst schlummert.
Das Mädchen Maud erkrankte schon als Kind an rheumatoider Arthritis und landete nach dem Tod von Vater und Mutter als nutzloses Mitglied ihrer Familie bei einer Tante, während ihr Bruder das Erbe durchbrachte. Maud, die wacklig auf den Beinen und nicht besonders zupackend war, bewarb sich beim Hausierer Everett Lewis, der eine Haushälterin suchte, putzte wenig, malte dafür umso mehr und wurde schließlich seine Frau. Sie lebte arm und starb als beachtete Vertreterin der Naiven Malerei. So erzählt es die irische Regisseurin Aisling Walsh mit ihren beiden einfühlsamen Hauptdarstellern Sally Hawkins und Ethan Hawke im melodramatischen Künstlerdrama "Maudie".
Mit schwerer Zunge und täppischen Gesten verkörpert Hawke den Sperrmüllsammler als garstigen Grobian. Wie dieser Fischfritze seinem Dienstmädchen rüde und ruppig zu verstehen sind, dass Hunde und Hühner mehr wert sind, wie er sie rauswirft und schlägt, das ist grausam und nur zu ertragen, wenn man auch den Analphabeten und Waisenknaben Everett als verlorenen Außenseiter versteht. Umso erstaunlicher ist die unverwüstliche Beharrungskraft, die Maud ihm entgegensetzt. Das Leben liegt schön vor ihr wie in einem Rahmen, heißt es einmal. Und es schaut aus, als wolle sie sich die Welt so heiter und bunt ausmalen, wie sie ihr im Inneren leuchtet.
Ein Haus wird zum Gesamtkunstwerk
Wie Sally Hawkins sich mit gekräuselter Nase, knotigen Händen und schiefem Kopf gegen die Misere stemmt, das ist anrührend und erfrischend zugleich. Auf die klebrige Musik, mit der einige Szenen unterlegt ist, kann man getrost verzichten. Sally Hawkins macht das schon, bezaubert uns Zuschauer, verzaubert ihr Haus und verhext den Rüpel an ihrer Seite mit schierer Sturheit. Das Hüttchen, in dem man sich kaum umdrehen kann, macht sie zum Wohnküchenatelier, wo ihre meist kleinformatigen Idyllen entstehen, die von der staubigen Straße weg für ein paar Cent, später ein paar Dollar verkauft werden.
Weil Maud Lewis auf alles pinselte, was Farbe trug, verwandelte sich ihr Häuschen im Lauf der Jahre in ein Gesamtkunstwerk - nach ihrem Tod vom Zerfall bedroht, ist es heute Teil eines Museums. Und im Film hat diese Hütte den Rang einer Hauptfigur: hutzelig, schief, aber schön.
Am Schluss wirken Maud und Everett im Hungerkünstlerhaus wie die Greise Philemon und Baucis aus der griechischen Sage, die arm waren und doch die Götter bewirteten. Es ist das märchenhafte Ende einer Geschichte, die angemessen schroff von der Selbstermächtigung einer verkrüppelten Frau und der Zivilisierung eines Mannes durch die Kunst erzählt.
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