Simon Spier (Nick Robinson) hat keine Augen für Mädchen, er sucht den Mitschüler, der sich im Internet anonym zu seiner Homosexualität bekannt hat. Insgesamt bietet die Highschool-Romanze um homosexuelles Coming-Out eine Prüfung im Hauptfach Toleranz.
Von Stefan Benz
Kulturredaktion Darmstadt
Simon Spier (Nick Robinson) hat keine Augen für die Mädchen, er sucht den Mitschüler, der sich im Internet anonym zu seiner Homosexualität bekannt hat. Foto: Fox
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Als Schüler waren Emily und Jack ein Paar, wie gemacht für eine Highschool-Komödie: der Quarterback und die schöne Jahrgangsbeste. Doch jetzt sind sie Eltern, leben in einem Vorort von Atlanta, haben ein allerliebstes Töchterchen und ihren wohlgeratenen Sohn Simon, der zwischen Penne und Party, Schultheater, Schulhofschwärmerei und Sportplatz dem Abschluss entgegen strebt. Es scheint auch in der nächsten Generation derselbe Lebenslehrplan zu sein. Und doch ist in der Highschool-Komödie „Love, Simon“ alles ein wenig anders – seltsam und verschroben. Oder wie es im Englisch doppeldeutig heißt: queer.
Simon Spier ist „queer“, er mag Jungs. Als Kind hat ihn schon Daniel Radcliffe, alias Harry Potter, schlaflos gemacht, und heute findet er den Gärtner gegenüber scharf. Noch weiß nur er es, doch als sich auf einer lokalen Blogseite ein Mitschüler anonym outet, offenbart sich Simon unter dem Pseudonym „Jacques“ jenem unbekannten „Blue“. Es entsteht ein freundschaftlicher E-Mail-Flirt, doch den Mut zum Outing bringt keiner der beiden auf – bis Simon durch einen Mitschüler online bloßgestellt wird.
In Greg Berlantis Verfilmung des Jugendromans „Simon vs. The Homo Sapiens Agenda“ (deutscher Titel: „Nur drei Worte“) von Becky Albertalli sind es vor allem die jungen Schauspieler, die für den Stoff einnehmen. Allen voran Nick Robinson, der Simons Seelennöte nie verquält verkörpert, sondern immer wieder selbstbewussten Witz ins Spiel bringt – Szenen aus seinen Tagträumen unterstreichen die ironische Haltung. „Love, Simon“ handelt zwar von den Problemen der sexuellen Orientierung, aber ein Problemfilm ist das nicht, eher eine Mutmach-Romanze.
PSYCHOLOGIN SCHREIBT FÜR JUNGE LEUTE
Die Autorin Becky Albertally wächst wie ihr Romanheld Simon in Atlanta, Georgia, auf. Sie promoviert in Klinischer Psychologie und arbeitet mit Kindern und Jugendlichen. Ihr Debütroman „Simon vs. The Homo Sapiens Agenda“ wird 2015 ein großer Erfolg. Das Buch erscheint 2016 unter dem Titel „Nur drei Worte“ auf Deutsch (Carlsen-Verlag, 344 Seiten, 8,99 Euro), 2017 verleiht ihm die Jugendjury den Deutschen Jugendbuchpreis. Mittlerweile hat Albertally zwei weitere Jugendromane veröffentlicht, die noch nicht auf Deutsch vorliegen. Internet: beckyalbertalli.com
Simon ist ja auch umgeben von liebenswerten Menschen. Das fängt bei seinen liberalen Eltern an: Jennifer Garner ist die einfühlsame Mama, Josh Duhamel reißt als Papa zwar immer wieder unbedacht Schwulenwitze, ist aber im Grunde seines Herzens sehr sentimental. Die Schulkameraden Leah (Katherine Langford) und Nick (Jorge Lendeborg) kennt Simon schon aus dem Sandkasten. Abby (Alexandra Shipp), die neue Neue aus Wahsington DC, hat selbst so ihre Probleme. Der Konrektor (Tony Hale), der ständig mit entwaffnender Freundlichkeit Handys konfisziert, macht einen auf Kumpel und trägt bekennend die Regenbogenflagge am Revers.
Bleibt nur Nerd Martin (Logan Miller), der Simons Mails kennt und ihn nun zum Kuppler nötigt, denn er will Abby rumkriegen, was ein heiteres Desaster werden muss. Als Bösewicht aber taugt dieser Quatschkopf nicht.
Und deshalb ist dieser Film netter, als es ihm guttut. Es wirkt, als wäre Georgia in den amerikanischen Südstaaten ein lauschiges Musterländle aufgeklärter Geisteshaltung und der Unterricht an dieser Vorort-Schule ein einziger langer Leistungskurs im Hauptfach Toleranz.
Vor einem Jahr gedreht, ist hier zwar schon von Trump die Rede, aber es weht noch Obamas offener Geist durch die Schule der Nation. Und weil alle so schön mitmachen, verteilt der Film auch nur gute Zensuren an seine Hauptfiguren. Leider ist so ein Zeugnis nicht allzu viel wert. Denn falls auch hier gelten sollte, dass man nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt, dann brauchte es auch den Mut für schlechte Haltungsnoten. Nur dann wirkt solch edle Geisteshaltung auch glaubwürdig.