Zwei Ermittler in einer gottverlassenen Gegend: Das Setting von Christian Alvarts Thriller stimmt, die nach Ostdeutschland umgetopfte Geschichte basiert aber auf einer spanischen Vorlage.
Von Dirk Henninger
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Markus Bach (Felix Kramer, links) und Patrick Stein (Trystan Puetter) suchen einen Mädchenmörder.
(Foto: 24 Bilder)
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„Blühende Landschaften“ hatte Kanzler Kohl den Menschen der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung versprochen. Davon waren die Zustände drei Jahre nach der Wende jedoch noch weit entfernt. Zumindest in der dörflichen Einöde inmitten einer Sumpflandschaft, wo ein junges Schwesternpaar vermisst wird. Dort träumen alle Teenager vom Westen oder haben längst die Alten sich selbst überlassen. Deswegen glaubt auch niemand, dass den Mädchen etwas passiert ist. Zwei externe Ermittler sollen herausfinden, ob das stimmt.
Bald werden die verstümmelten Leichen der jungen Frauen entdeckt. Bei ihren Ermittlungen schlagen dem Wessi Patrick Stein (Trystan Pütter) und Markus Bach (wuchtig: Felix Kramer), dem Ossi mit Stasi-Vergangenheit, Misstrauen und Verachtung entgegen. Von der Dorfgemeinschaft ist nur die Mutter der toten Mädchen (Nora Waldstätten) kooperativ. Mit ihrer Hilfe stoßen die Ermittler auf entscheidende Hinweise, die sie auf die Spur einer ganzen Mordserie bringen.
„Freies Land“ von Christian Alvart kontrastiert faszinierend schöne Winterlandschaften mit Sumpf- und Wiesengebieten aus der Vogelperspektive mit verkommenen Industrie-Arealen, in den Siebzigern steckengebliebenen Inneneinrichtungen und öder DDR-Architektur – das alles in gammeligen, grau-braunen Grundtönen. Nur die schamanisch klingende Ethno-Musik von Christoph Schauer will nicht so richtig zum alten deutschen Osten passen – obwohl sie die gedrückte Stimmung zwischen Frost und Rost sehr gut unterstreicht.
ZUR PERSON
Der 1974 im südhessischen Seeheim-Jugenheim geborene Regisseur Christian Alvart hat nicht nur interessante Thriller („Antikörper“, „Abgeschnitten“) und zwei Hollywood-Filme („Fall 39“, „Pandorum“) gedreht, sondern inszenierte auch die „Tatort“-Beiträge mit Til Schweiger und die deutsche Netflix-Serie „Dogs of Berlin“. Seine Spielfilme warten oft mit interessanten ästhetischen Konzepten auf. (dh)
Die grundsätzliche Frage bei alldem ist jedoch, wie kreativ die Leistung eines Regisseurs einzuschätzen ist, wenn das vorliegende Werk nahezu alle Bestandteile eines anderen Films kopiert. „Freies Land“ ist das Remake des spanischen Films „La Isla Minima – Mörderland“ von 2014, der bereits auf dieselbe Weise zu faszinieren wusste. Nur spielte das Original in karg-vertrockneten andalusischen Flusslandschaften und begleitete ein unfreiwilliges Ermittler-Duo kurz nach dem Zusammenbruch des Franco-Regimes 1980 auf der Suche nach einem Frauenmörder.
Das Original gewann zehn spanische Goya-Filmpreise und wurde damals mit David Finchers „Sieben“ sowie der Serie „True Detective“ verglichen. Auch wenn die Richtung stimmt und die deutsche Variante dabei mithalten kann, bilden „La Isla Minima“ und „Freies Land“ aber eher noch eine Klasse für sich. Der spanischen Vorlage gebührt dabei allerdings die alleinige Bestwertung für Originalität. Doch der Transfer der Geschichte in die deutsch-deutsche Nachwendezeit ist trotzdem eine sehr interessante Idee, sodass man zumindest von einer kongenialen Übertragung des Sujets in ein anderes Umfeld sprechen kann. Und Alvarts Film entwickelt dabei durchaus auch ein starkes Eigenleben. SEHENSWERT