Die Menschmaschine K jagt andere Menschmaschinen, die sich in den Untergrund abgesetzt haben. So wie in Ridley Scotts Klassiker "Blade Runner" (1982). Scott ist bei der Fortsetzung "Blade Runner 2049" Produzent. Und der Kanadier Denis Villeneuve philosophiert nun ganz in Scotts Geiste eine Schöpfungsgeschichte im Zeichen der Apokalypse.
Von Stefan Benz
Kulturredaktion Darmstadt
Kleiner Replikant, was nun? Officer K (Ryan Gosling) steht vor dem überlebensgroßen Hologramm einer Pornopuppe, die ihm gefühlsechte Liebe verspricht. Foto: Sony
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Officer K ist ein Replikant. So viel sollte sicher sein. Er besitzt eine Seriennummer und künstliche Erinnerungen an seine Kindheit. Klaffende Wunden muss er nur zusammendrücken, schon heilen sie, und wenn er nach einem brutalen Einsatz ein Trauma hat, wird das neurologisch wegprogrammiert. Die Menschmaschine K jagt andere Menschmaschinen, die sich in den Untergrund abgesetzt haben. So wie in Ridley Scotts Klassiker "Blade Runner" (1982), der im Jahr 2019 spielt und Harrison Ford als Kopfgeldjäger Rick Deckard zeigt, von dem der Zuschauer am Ende nicht mehr ganz so sicher sein konnte, dass er ein Mensch ist.
Ridley Scott, der sich in seinem jüngsten Alien-Film "Covenant" mehr mit humanistisch programmierten Androiden als mit Monstern beschäftigte, ist bei der Fortsetzung "Blade Runner 2049" Produzent. Und der Kanadier Denis Villeneuve, der zuletzt in "Arrival" Aliens als Botschafter der Metaphysik auf die Menschheit losließ, philosophiert nun ganz in Scotts Geiste eine Schöpfungsgeschichte im Zeichen der Apokalypse.
Nach einem Öko-Kollaps und der Vernichtung digitaler Daten ist die Regennacht in Los Angeles noch immer so neon-nass wie im Klassiker aus den Achtzigern. Tagsüber sieht die Welt im trüben Licht mal schwefel-, mal goldgelb aus. Wenn nicht gerade dicker grauer Nebel alles umwölkt - so wie am Anfang rund um eine Madenplantage, wo Officer K einen Replikanten killt und danach mit schönem Gruß von den Gebrüdern Grimm und Samuel Beckett einen abgestorbenen Baum findet, unter dem eine Kiste ein Geheimnis birgt. Muss wohl der verdorrte Baum der Erkenntnis sein. Jedenfalls geht es in der Folge darum, dass Menschen und ihre versklavten Replikantenbrüder erlösungsbedürftig sind. Ein neuer Garten Eden aber ist nirgends in Sicht.
DER KLASSIKER
"Blade Runner" von Ridley Scott aus dem Jahr 1982 spielt 2019 im Moloch Los Angeles, wo Harrison Ford als Kopfgeldjäger entflohene Replikanten jagt, die als Arbeitssklaven gehalten wurden.
Rick Deckard, der daherkommt wie ein Detektiv der Schwarzen Serie, dessen Name aber wiederum an den rationalistischen Denker René Descartes erinnert, geht am Ende mit einer geliebten Replikantin in eine paradiesische Zukunft.
Der nachgereichte Director´s Cut legt nahe, dass Deckard auch ein Replikant ist.
Dafür offenbart der schwermütige Replikant K ein tiefes Bewusstsein für die menschliche Seele. Ryan Gosling, der coolste Phlegmatiker des Kinos, ist für diese Rolle gewiss genau der Richtige. Er muss sich zwar auch mal durch Wände kloppen lassen, aber zumeist ist er mit einer gequälten Innenschau beschäftigt, bei der auch Tränchen fließen.
Gosling agiert mal wieder, als würde er neben sich stehen, was dem Gemütszustand seiner Figur vollauf entspricht. Vor allem aber steht der introvertierte Mann zwischen fünf Frauen: Robin Wright als strenge Chefin, die seine psychischen Wunden flicken lässt, Ana de Armas als Hologramm eines Heimchens am Herd, das ihm platonisch liebend die Wohnwabe gemütlich macht, Mackenzie Davis als Replikantenhure, die körperliche Nähe beisteuert, Carla Juri ("Feuchtgebiete") als verträumte Ärztin, die Erinnerungen erschafft, und Sylvia Hoeks als fiese Chefsekretärin des großen Replikantenbauers, die Hiebe und Stiche verteilt. So viele Frauen, dabei sucht der arme Mann doch eigentlich sowas wie seine Jungfrau Maria. Das zehrt an den Kräften dieses Films und seines Helden. Als Ryan Gosling auf seinen Vorgänger Harrison Ford trifft, wäre ein normaler Kinofilm schon zu Ende.
Kurz hauen sich die beiden Helden in einem verlassenen Casino auf die Nase, während Elvis als flackernde Lichtgestalt singt. Das hat was. Doch dann befällt auch den alten Rick Deckard jene grässliche Grübelei, die wie Mehltau über der gesamten Geschichte liegt.
Von der düsteren Action des Film Noir im Original ist nicht mehr viel übrig. Zwischen rostigen Industrieruinen, den fleckigen Wohnwaben von Metropolis und erlesenen Interieur-Landschaften entfaltet Denis Villeneuve eine Designer-Elegie mit einer nervtötenden Filmmusik, die ständig elefantös posaunend Alarm ruft, auch wenn zu wenig passiert, um 163 Kinominuten packend zu füllen.
Villeneuve und Scott haben sich zusammen mit den Drehbuchautoren Hampton Fancher und Michael Green philosophisch verstiegen in Überlegungen, ob nun das menschliche Genom oder der binäre Code nicht gleichwertige Systeme sind. Auf der Suche nach der Seele der Maschinen haben sie leider vergessen, ihrem Film ein Herz einzupflanzen.
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