Von Klaus AndrießenSeiner Zeit voraus ist der Bodensee-Tatort, denn es weihnachtet fürchterlich. Eine junge Frau flieht in Dunkelheit, treibt den Kinderwagen mit ihrem Baby...
. Von Klaus Andrießen
Seiner Zeit voraus ist der Bodensee-Tatort, denn es weihnachtet fürchterlich. Eine junge Frau flieht in Dunkelheit, treibt den Kinderwagen mit ihrem Baby vor sich her, versteckt sich in einem Gebüsch. Dort lässt sie ihr Kind zurück, rennt durch wogendes Schilf - und wird erschlagen. Ein Weihnachtsmann kommt und schreibt mit dem Handy der Toten eine SMS an die Polizei: "Ich bin tot. Kümmert Euch um mein Kind." Am Tatort geraten wenig später Kommissarin Klara Blum (Eva Mattes) und Kollege Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) aneinander - sie pflegen ihre Antipathie: Er hat einen Fehler gemacht. Als das Baby endlich gefunden wird, ist es dem Tode nahe.
Zupackendes Engagement
Schnell konzentrieren sich die Ermittlungen auf eine Penner-Wohngemeinschaft. Darin versammelt der Tatort ungewöhnliche Einzelschicksale, denen gegenüber sich die Ermittler in höchst unterschiedlicher Art verhalten: Er herablassend, aggressiv und vorurteilsbeladen, sie einfühlsam, die menschliche Würde der Gescheiterten achtend und mit erstaunlich zupackendem sozialem Engagement. Dieses gilt Franziska, der einzigen Frau in der Wohngemeinschaft. Friederike Linke gibt dieser Rolle eine erschütternde Tiefenschärfe.
Fürchterlich weihnachtlich wird es, wenn die Penner als Weihnachtsmänner auf dem Weihnachtsmarkt stehen und sich die Spendenbereitschaft für Orang Utans zunutze machen, um mit dem Geld ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und fürchterlich weihnachtlich wird es, wenn drei der Männer wie die heiligen drei Könige im Krankenhaus auftauchen, um nach dem Kind zu sehen. Weil sie stinken, werden sie beim ersten Auftritt weggejagt. Dann kommen sie wieder - diesmal gewaschen und duftend. Und fürchterlich weihnachtlich wird es schließ;lich, wenn Kommissar Perlmann unbeholfen sein Verhältnis zu Gott zurechtrücken möchte oder wenn das Kind schließ;lich doch überlebt und plötzlich einen Vater hat, der natürlich ein reicher Mann ist und mit Selbstmitleid die Puppen tanzen lässt …
Trotz aller Weihnachtlichkeit gelingt dem Bodensee-Tatort mit "Côte d’Azur" eine unsentimentale Geschichte, in der die gut charakterisierten Personen glaubhaft agieren. Und dass ein Krimi mal mit nur einer Leiche auskommt, ist auch positiv zu vermerken.