Knapp fünf Wochen sind vergangen, seit der bislang letzte Dortmunder "Tatort: Masken" lief. Und schon legt der WDR nach.
. "Gier und Angst" heißt der neue Fall, den Martin Eigler inszeniert und gemeinsam mit Sönke Lars Neuwöhner geschrieben hat. Der Titel bezieht sich zwar hauptsächlich auf das Verhalten von Anlegern, deren Gier verhindere, dass sie den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg finden, und deren Angst dafür sorge, dass es übermäßigen Ausverkauf gibt.
Erstaunlicherweise passt der Titel inzwischen aber auch sehr gut zum Dortmunder "Tatort" und seinen Fans. Die Gier (nach mehr) verhindert, dass der Zuschauer rechtzeitig den Absprung findet, bevor der WDR den einstmals so guten "Tatort" mit dem Alleinstellungsmerkmal im Mittelmaß versenkt und seinen Hauptfiguren allen Reiz entzieht. Die Angst, dass es genau so kommen könnte oder wird, führt jedoch dazu, dass man jede Minute, die noch bleibt, aufsaugt wie ein trockener Schwamm, während man sich beim Gucken schon fragt, welchen Kommissar es als nächstes erwischt (Tod, Versetzung, Liebesheirat, Psychiatrie oder Wut-Kündigung, alles ist möglich).
Konkret: Dass Peter Faber (Jörg Hartmann) keine Waschbecken mehr zertrümmert, weil sein Erzfeind Graf endlich tot ist; dass er nun heimlich und doch gar nicht mal so heimlich einfach in Martina Bönisch (Anna Schudt) verliebt ist und das auf seine Art genießt – das ist eine konsequente Entwicklung der Figur. Der Rückschlag wird kommen, und lange wird es vermutlich nicht dauern, denn die Zuschauer wollen keinen ausgeglichenen Faber.
Deutlich wird das in einer Szene, in der Faber Bönisch zwischen den Zeilen sehr genau mitteilt, was er fühlt. Der Dialog wird dadurch aufgelöst, dass beide feststellen, dass die Figur, über die sie eigentlich reden, ja nun tot ist. Wer also wird sterben? Es bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Wir haben Angst!
Konkret: Dass Martina Bönisch sich ausgerechnet auf einen Mann eingelassen hat, der nicht verkraften kann, dass sie Schluss gemacht hat, ist ein bisschen schmerzhaft. Immer wieder ist es Faber, der Sebastian Haller (Tilman Strauß) seine Grenzen aufzeigt. Doch wo wird das enden? Wie geht es aus? Wir sind gierig nach mehr. Und eigentlich gönnten wir Bönisch auch endlich ein Stück vom Glück.
"Gier und Angst" reiht sich leider ein in eine inzwischen gar nicht mal so kurze Reihe der mittelmäßigen Dortmunder "Tatorte". Bei "Masken" durfte man froh sein, dass dieses Mittelmaß überhaupt noch gehalten wurde. Auch der neue Film trumpft nicht auf. Der Reiz, den Dortmund lange ausmachte, auch wenn Autoren und Redaktion es zu oft verpassten, ihre horizontalen Geschichten auszuerzählen, ist weg. In Dortmund reizt nichts mehr. Und es fühlt sich sehr danach ein, als würde alles auf einen großen Knall hinauslaufen, damit wir uns danach lange in Leid und Verderben suhlen dürfen.
Der Einstieg in den Film ist dabei durchaus vielversprechend und attraktiv inszeniert: Manager Josef Micklitza (Stefan Rudolf) taucht abends im Dortmunder Polizeipräsidium auf und erzählt Jan Pawlak (Rick Okon), dass er auf dem Hafengelände einen Toten mit Schussverletzung in dessen Auto gefunden habe. Beim Toten handele es sich um seinen Vermögensberater Claus Lembach. Dann jedoch verschwindet Micklitza, offenbar untergetaucht. Sein Bruder Georg (Sascha Gersak), genannt "Micki", den die Kommissare aufsuchen, ist ratlos: Ist Josef untergetaucht oder wurde ihm ebenfalls etwas angetan? Die Kommissare arbeiten mit Hochdruck nicht nur daran, den Mord an Lembach aufzuklären, sondern auch daran, Micklitza zu finden. Dass auf einmal im Zuge der Ermittlungen auch noch Pawlaks seit über einem Jahr vermisste Ehefrau Ella (Anke Retzlaff) wieder auftaucht, vereinfacht die Sache weder für ihn noch für seine Kollegen.
Das Erste zeigt den "Tatort: Gier und Angst" am Sonntag, 2. Januar, um 20.15 Uhr.