Stadtfotografin Anna Lehmann-Brauns stellt im TU-Kunstforum aus
Von Annette Krämer-Alig
Kulturredakteurin Darmstadt
Lichtwirkungen und Menschenleere eröffnen in den Fotografien von Anna Lehmann-Brauns neue Blicke auf bekannte Darmstädter Stadtsituationen wie das Saladin-Eck bei der „Goldenen Krone“. Die Aufnahmen der „Darmstädter Stadtfotografin 2017“ sind ab Samstag im Kunstforum der TU zu sehen. Foto: Anna Lehmann-Brauns
( Foto: Anna Lehmann-Brauns)
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DARMSTADT - Als eine Jury die Berlinerin Anna Lehmann-Brauns voriges Jahr zur „Darmstädter Stadtfotografin 2017“ gewählt hat, stand das Thema schon fest, mit dem sie sich dieser Stadt nähern sollte. In ihren Bildern, die jetzt ab Sonntag in einer Ausstellung im Kunstforum der TU Darmstadt gezeigt werden, geht es um den „Blick von außen“ und „Fotografische Assoziationen zur Kulturellen Mitte Darmstadt“.
Das ist kein Wunder. Denn ausgeschrieben hat den mit 3000 Euro, einer Ausstellung und einem Katalog verbundenen Stadtfotografen-Wettbewerb erneut die Werkbundakademie, dem auch die „Kulturelle Mitte Darmstadt“ seit langem ein politisches Anliegen ist. Der Verein möchte „den Plätzen und Kulturorten ihre eigene Identität zuordnen und ihren Charakter ermitteln, ihre architektonischen und urbanen Qualitäten stärker hervorheben und miteinander vernetzen“, wie man zur Ausstellung schreibt.
Doch wie nähert man sich einer fremden Stadt inhaltlich, wie erfährt eine Großstädterin Darmstadt? Und: Wo hat Anna Lehmann-Brauns die beschworene kulturelle Mitte gefunden? „Ich bin während des gesamten Jahres 2017, vor allem aber im Sommer, in Ein- bis Zweimonatsabständen nach Darmstadt gefahren“, sagt die Fotografin. Bei einsamen, frühmorgendlichen Streifzügen durch die menschenleere Innenstadt habe sie dabei „Spots kennengelernt, die wichtig waren“ und diese mit ihrer Mittelformatkamera festgehalten,
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Die Vernissage der Schau im Kunstforum der TU Darmstadt, Altes Hauptgebäude, Hochschulstraße 1, ist am Samstag, 3. Februar, um 18 Uhr. Danach ist die Ausstellung bis 15. April dienstags bis sonntags von 13 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt frei. (aka)
Schon beim ersten Blick auf die 28 mittelformatigen Aufnahmen wird deutlich, dass sie dabei gegen den Strich gebürstet hat: Die 1987 geborene Stadtfotografin zeigt die Stadtmitte als lebendigen Mix, zu dem die Graffiti einer Unterführung genauso gehören wie das Schloss. Denn Kultur meint vieles, und selbst städtebaulicher Trash kann in Darmstadt eine gelebte Liebe werden.
Das ist eine Stimmung, die Anna Lehmann-Brauns Fotografie gut entspricht: Eine ähnliche Sinnlichkeit des Hässlichen beherrscht ihre bisherigen Innenraum-Serien.
Dabei erregt sie die Aufmerksamkeit des Betrachters gern durch Irritationen. Er blickt auf Bekanntes wie das Theater Mollerhaus, den Portikus vor der Kunsthalle, den Georg-Büchner-Platz oder die Centralstation, erkennt aber auch ohne Mühe die Sechziger-Jahre-Fassade des Eiscafé Roth an der Landgraf-Georg-Straße oder die Graffiti der Fußgänger-Unterführung zwischen Liebighaus und Kirchstraße: alles hundert Mal gesehen, aber hier neu zu entdecken.
Denn da ist nicht nur diese Menschenleere, die den Blick auf Besonderheiten von Fassaden, Plätzen, Wandbemalungen oder Ladenschilder zieht. Auch das gekonnte Spiel mit Lichteffekten, ungewohnte Aus- und Anschnitte sowie verfremdende Farbwirkungen wecken das Interesse am Normalen. So wird dank der warmen Grüntöne fürs Gestrüpp, dem hellen Licht auf der Seitenfassade der „Krone“ und einem verschwimmenden Vollmond selbst das Saladin-Eck zu einem zwar geheimnisvollen, aber heimeligen Ort. Die noch von Gerüst und Zaun der Sanierung umstellte historische Fassade des Mollerhauses scheint dagegen in weißlichen Tönen mit dem Hintergrund zu verschwimmen – und vermittelt psychologische Ferne.
Natürliches Licht, monumental inszeniert
Anna Lehmann-Brauns hat ihre Mittelformat-Quadratbilder für die Ausstellung am Computer zu Hoch- oder Querformaten umgestaltet. Doch sie betont, dass diese Neuformatierung der einzige PC-Eingriff in die Finesse alter Fotografenkunst gewesen ist. Sie setze auf Auge, Stativ, lange Belichtungen und natürliches Licht, das monumental in Szene setzen, aber auch die schrägen Wirkungen erzeugen kann.
Darmstadt lebt vom Miteinander seiner Gegensätze. Da stimmt es, wenn Lehmann-Brauns Bild des eleganten Kunsthallen-Portikus sich durch Licht und Schatten schroff vom architektonischen Umfeld abhebt und damit an die geradlinige Architekturfotografie der sechziger Jahre erinnert, in der diese Kunsthalle gebaut wurde. Es passt aber genauso zur kulturellen Mitte, wenn die TU-Maschinenbauhalle mit ihrer Nachkriegs-Mixtur aus Glas, Metall und Klinker erstmals warmen Charme versprüht, weil ein Sonnenstrahl das Tor voll trifft und dazu einen Baumschatten auf die Fassade zaubert.