Bedröppelter Blick auf die verflossene Liebe. Foto: Florian Janßen
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FRANKFURT - Drei Sätze, die eigentlich alles sagen: „Sie wollte nur eine kleine Auszeit. Ein paar Tage in die Sonne, die Wärme genießen, dem Alltag entfliehen. Jetzt stand er vor ihr und doch würde sie nie mehr zurückkommen, seine verflossene Liebe.“ Doch das Bild dazu spricht eine ganz andere Sprache, die einen prompt auflachen lässt. Ein Schneemann schaut ziemlich bedröppelt auf die Wasserpfütze vor ihm, auf seine verflossene Liebe, die Schneefrau neben ihm. Das im Text angekündigte kleine Drama löst sich in Wohlgefallen auf.
Bild und Text funktionieren nur zusammen
Bild und Text sind so miteinander verbunden, dass sie nur zusammen funktionieren. Wer zuerst den Text liest, ahnt ein Liebesdrama, wer zuerst das Bild ansieht, versteht gar nichts. Doch zusammen entfalten sie schlagenden Witz. Diese mit dem ersten Preis gekrönte Geschichte stammt von Florian Janßen, nach eigener Einschätzung ein „Lehrling“ neben den „Gesellen“ und „Meistern“. Der alljährliche Wettbewerb um den „Docma-Award“, die renommierteste Auszeichnung für digitale Kunst, lässt jedem Bewerber diese drei Kategorien offen.
Jetzt ist Janßens Beitrag im Frankfurter Museum für Kommunikation zu sehen, neben rund 20 anderen Werken. Der diesjährige Wettbewerb stand unter dem Motto „SSST – Super Short Story Telling“, also eine Geschichte in nur einem Bild und mit maximal 300 Buchstaben zu erzählen. Eine gewaltige Herausforderung in unserer bildmächtigen Zeit, die immer weniger Wert auf das Lesen legt. Freilich sind Kurzgeschichten derzeit hip seit Florian Meimbergs „Tiny Tales“; auch im Internet finden sich „Bierdeckel-“ oder „Ultrakurzgeschichten“.
Jedenfalls scheint das zweimonatlich erscheinende „Docma“-Magazin für professionelle Bildbearbeitung ein Gespür für aktuelle Themen zu haben. In den vergangenen Jahren ging es um den Widerstreit zwischen privaten und öffentlichen Bildern, um Rollenbilder, um kuriose Warnhinweise oder digitale Bildfälschungen. Nun also Minigeschichten, die entweder selbst ausgedacht sein können oder ein Zitat enthalten dürfen aus einem Lied, Film oder Buch. Der Text sollte anschließend in ein passendes Bild umgesetzt werden. Freilich rätselt man zuweilen, ob nicht doch zuerst das Bild da war und dann der Text dazu gedichtet wurde – aber sei’s drum.
Ohne Text funktioniert hingegen das Foto von einer vor sich hin kullernden Klopapierrolle in einer öffentlichen Toilette, während im Hintergrund eine Hand unter der Kabine ins Leere greift und nicht mehr die Rolle erwischt. Pech gehabt, und Glück für Klaus Wäscher, der für diese Alltagskomik den vierten Preis bei den „Lehrlingen“ erhielt. Bei den zwei etwas ramponiert aussehenden Säcken, die auf Stühlen abgelegt wurden, braucht man wiederum einen Moment, bevor der sinnbildliche Hinweis auf zwei alte Menschen greift. Da hilft entweder der Bildtitel „Zwei alte Säcke“ oder der Text: „Hier waren sie nun – in Würde gealtert, voller Lebenserfahrungen und Erinnerungen. Sie gehörten zusammen.“
Freilich sind nicht alle preisgekrönten Arbeiten gelungen – da ließe sich trefflich streiten zwischen der 16-köpfigen Jury und dem Besucher. Doch erfreulicherweise liegen einige Fotobücher mit 300 weiteren Arbeiten aus. So kann man sich ein gutes Bild von den mehr als 1000 Einsendungen machen.