Das Darmstädter Künstlerhaus Ziegelhütte zeigt Plastiken und Papiercollagen von Gerda Bier.
Von Roland Held
Gerda Biers „Hängende Figur VIII“ aus Holz und Eisen ist im Künstlerhaus Ziegelhütte zu sehen.
(Foto: Künstlerhaus)
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DARMSTADT - „Als ob etwas nach Hause gefunden hätte...“ Ein Satz, den Liane Palesch und Erwin Koch von Ausstellungsbesuchern gehört haben, bezogen auf die Plastik „Brett VIII mit Kreuz“, die im Eingangsbereich hängt und dem schwarzbraunen Innengebälk des ins 17. Jahrhundert zurückgehenden Künstlerhauses tatsächlich wie verschwistert scheint.
Gerda Bier hat dieses Wandobjekt mit dem rudimentärem Querbalken, mehr Flachstele als Kreuz, im Jahr 1989 geschaffen. Doch blakt es dunkel, als wären die Brände vergangener Geschichte darübergegangenen: unkaschierte Maserung, Schrammen, dazu Wucherungen des Holzes, mit ein paar beiläufigen Sprenkeln roter Farbe obenauf. Ein kleineres Brett ist dem größeren Korpus eingepflockt, Metallbänder fungieren als Verklammerung. Alles banales, vernutztes, totes Material. Mit seiner gar nicht kostbaren Patina weckt es im Betrachter dennoch ein Gefühl von Empathie, fordert es auf zur Identifikation – als wäre man konfrontiert mit geschundenen Schicksalsfiguren, mit Schmerzensmenschen.
Gerda Bier, Jahrgang 1943, hat in verschiedenen Werkstoffen experimentiert, bevor sie um 1980 auf die für sie charakteristische Kombination von Holz und Eisen verfiel. Ihre Entwicklung seither ließ sich auf den Jahresausstellungen der Darmstädter Sezession, deren Mitglied sie ist, anhand der auf der Ziegelhütte gezeigten Freiplastiken kontinuierlich verfolgen.
ÖFFNUNGSZEITEN
Bis Sonntag, 28. Oktober, im Darmstädter Künstlerhaus Ziegelhütte, Kranichsteiner Straße 110.
Geöffnet ist Freitag bis Sonntag von 15 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung (Telefon 06151– 71 50 31. Am kommenden Sonntag, 14. Oktober, führt Gerda Bier um 16 Uhr durch ihre Ausstellung. (rhd)
Galeristin Liane Palesch war also in bester Position, um immer wieder neue Arbeiten der Bildhauerin kennenzulernen: „Sachen, die mich sehr berühren, zu denen ich leicht einen inneren Bezug aufbauen kann.“ Bis diesen Sommer ihr Besuch einer großen Retrospektivschau in Biers Geburtsort Schwäbisch Gmünd den Anlass für die jetzige Ausstellung gab. Auch diese greift künstlerisch zurück bis in die Mitte der achtziger Jahre, wartet aber auch mit jüngst Entstandenem auf.
Das Spektrum der Themen und Techniken ist breit, von den Wandbrettern bis zur bildhaft gerahmten Papiercollage, von aufs Schema reduzierten Häusern, Schreinen, Türmen bis zur freistehenden, streng vertikal stilisierten Figur. In der Schublade des Monothematischen war Gerda Bier nie unterzubringen. Ihre künstlerische Handschrift ist es, die einen roten Faden durch das Heterogene zieht.
Im Zusammenklang von Holz und Eisen – die beim ausdrücklich erlaubten Berühren der Stücke als „warm“ und „kalt“ zu erleben sind – durchdringen sich das organisch Gewachsene und das zivilisatorisch Geschmiedete, werden einander angenähert durch die verschürfte und korrodierte Oberfläche, die Farbigkeit von Ruß und Rost.
Es gibt Arbeiten, bei denen allein die Sprache des Materials einen Widerhall in der Fantasie des Betrachters erzeugt, andere knüpfen mit knappsten Andeutungen an christliche Bildsymbolik an.
Wieder andere zielen auf archaisch-elementare Dingsymbolik. „Die Akte“ lautet der summarische Titel einer Serie von Collagen aus filzig-dicken Papierschichten: Darin muss irgendwo ein Geheimnis vergraben sein, fatal für denjenigen, über den die Akte angelegt wurde, denkt der Betrachter. Doch bei vergleichsweise zweidimensionaler Produktion hält es Gerda Bier nie lange. Zwei, drei fingertief springt das Objekt „Schwarzes Tor mit Rot“ von der Wand vor: eine düster verschliffene, scheinbar uralte Portalsituation, in die eine windschiefe Tür tiefergesetzt ist. Jederzeit ist damit zu rechnen, dass aus ihr der Golem hervortritt.