Der Mainzer Prominentenweinberg ist die kleinste Weinlage in einer Großstadt. Schon Otto Waalkes, Frank-Walter Steinmeier oder Lech Walesa pflanzten hier Riesling und Burgunder.
Von Michael Jacobs
Lokalredakteur Mainz
Auf dem Prominentenweinberg vor der Zitadelle ist Platz für 100 Rebstöcke. Er wurde 2007 vom Mainzer Weinsenat angelegt.
(Foto: Sascha Kopp)
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MAINZ - Wie ein kleiner Gruß aus dem Kelterreich der „Great Wine Capital“ recken sich die Rebstöcke auf einem Buckel des Mainzer Jakobsbergs vor dem mächtigen Eingangsportal der Zitadelle. Man kann sie durchzählen. Es sind genau 42. Rechts drei Reihen Ingelheimer Spätburgunder. Zur Linken der etwas üppiger gediehene Riesling. An den teils von Schutzröhren ummantelten Burgunder-Setzlingen ist der Glutsommer nicht spurlos vorübergegangen. Einige der sonnenverbrannten Beeren nähern sich dem Rosinenstadium. Der Riesling steht besser im Saft.
Aber auf den Ertrag des wohl winzigsten Weinbergs inmitten einer Großstadt kommt es auch nicht an. Nicht selten naschen Zitadellen-Spaziergänger von den Früchten. Es gab Jahre, da sei die Lese mangels ausreichend Pressbarem auch schon mal ausgefallen, weil alle Trauben in einen Eimer gepasst hätten, erzählt Hans-Willi Fleischer, Leiter des städtischen Weinguts, der die Pflanzen regelmäßig hegt und pflegt. Dennoch: Es ist ein Job mit großer Strahlkraft.
Mini-Rebenbiotop auf historischem Terrain
Was dem für hundert Rebstöcke auf einer Gesamtfläche von zirka 200 Quadratmetern angelegten Miniaturbiotop an Ausdehnung fehlt, macht es durch den gesellschaftlichen Gütegrad der Rebstock-Pflanzer wieder wett. Um die Bedeutung Rheinhessens als Deutschlands größtem zusammenhängenden Weinanbaugebiet mit Glamour zu umranken, hat der Mainzer Weinsenat 2007 am Rande der Altstadt einen Prominentenweinberg ersprießen lassen. Dabei wurzelt die knorrig-zarte Pflanzenschar, die wie eine Spielwiese von Gott Bacchus wirkt, auf historisch rebenreichem Terrain. Noch vor hundert Jahren sei der Hang des Jakobsbergs in Sichtweite des römischen Bühnentheaters von Rebstöcken übersät gewesen, sagt Franz Ringhoffer, einer der drei Weinsenats-Vorsitzenden. Bis dann der Weinbau aus der Innenstadt verschwand und sich in die Stadtteile Hechtsheim, Ebersheim und Laubenheim verlagerte. Umso nachhaltiger soll nun der Promifaktor des Rebengärtleins den Anspruch von Mainz als weltweite Weinhauptstadt untermauern.
Auf dem Prominentenweinberg vor der Zitadelle ist Platz für 100 Rebstöcke. Er wurde 2007 vom Mainzer Weinsenat angelegt. Foto: Sascha Kopp
Komiker Otto Waalkes pflanzte im August 2015 seine Ottifantenrebe – einen Ingelheimer Spätburgunder. Archivfoto: hbz/Stefan Sämmer
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Den Grundstock legte Kardinal Karl Lehmann
Den Grundstock mit einem messweinroten Burgunder legte vor elf Jahren kein Geringerer als Kardinal Karl Lehmann. Der ehemalige ZDF-Intendant Markus Schächter setzte mit einem Riesling nach. Seitdem kamen viele weitere Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Winzerwelt zu ihrem ganz persönlichen Rebenruhm. Neben Stadtoberhaupt Michael Ebling, den Oberbürgermeistern der Mainzer Partnerstädte oder Ministerpräsidentin Malu Dreyer auch waschechte Revolutionäre, wie der einstige Solidarnosc-Führer und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, der zwischen den Ranken staatmännisch vom Umbruch in Polen parliert habe, erzählt Ringhoffer. Selbst Frank-Walter Steinmeier pflanzte ein Rebstöckchen im Mainzer Grund, bevor er sein Amt als Bundespräsident antrat. Den Ehrentitel Mainzer Weinsenator (Consitor Senatus Vineti) durfte er zudem mit ins Schloss Bellevue nehmen. Friesisch herb, mit Turnschuhen und Baseballkappe, lochte Komiker Otto Waalkes 2015 seinen Spätburgunder-Spross ein, leicht schwankend, ob er dem künftigen Tropfenspender eher das Etikett „Ottifantenwein“, „Trockener Otto“ oder „Lieblicher Blödel“ verpassen soll. Neben der Rebenehr‘ bekommen alle Promisenatoren jährlich jeweils eine Flasche ihres Weiß- oder Rotweins aus einer exklusiven Edition des Weinsenats zugesandt. Ausgemachte Schoppen-Kompetenz demonstrierte der einstige rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, während sein aktueller Amtskollege Volker Wissing jede Menge Gedeih-Tipps spendiert habe, sagt Ringhoffer. Mit einen Ableger des ältesten Weinstocks der Welt, überbracht von einer Gesandtschaft aus dem slowenischen Maribor, darf der Prominentenweinberg auch die äußerst rüstige, vierhundert Jahre alte Rebsorte „Schwarzsamtene“ sein eigen nennen.
Noch weit über die Hälfte der idyllisch-illustren Mini-Pflanzung harrt weiteren Berühmtheits-Setzungen. Möglicherweise lasse sich das Areal noch vergrößern, wenn die Hunderter-Marke erreicht sei, meint Ringhoffer. Eine Beschilderung oder kleine, die Reben mit ihren bekannten Pflanzern vernetzende Erklärtafeln, sucht man bis heute allerdings vergebens. Der Senat arbeite noch an der graphischen Gestaltung von Hinweiselementen, die zum historischen Festungsbau der Zitadelle passen müssten, meint Ringhoffer.
Gewiss ehrt so viel Understatement den wohl kleinsten deutschen Weinberg in City-Lage. Man sollte damit aber nicht so lange warten, bis die Otto-Rebe in Rüsselform ausschlägt.