Plus und Minus der digitalen Welt im Frankfurter Museum

Die Ausstellung „#neuland“ des Frankfurter Museums für Kommunikation steht – doch ihre Fragen und Antworten kann man bis vorerst 10. April nur im Internet kennenlernen. Fotos: Sven Moschitz; Atlas – stock.adobe
© Fotos: Sven Moschitz; Atlas – stock.adobe

Wie verändert das Web unser Leben? Das Museum für Kommunikation macht seine Ausstellung „#neuland“ online zum Rundgang.

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FRANKFURT. Benching, Ghosting, Caspering? Drei Begriffe, die manchem noch nicht fließend über die Lippen gehen. Für andere gehören sie längst zu ihrem Online-Beziehungsalltag. Denn: „Benching“ bedeutet, eine Person auf der Wartebank sitzen zu lassen, Kontakt zu halten, aber – reale oder virtuelle – Nähe zu verweigern. Hinter „Ghosting“ versteckt sich, eine virtuelle Beziehung oder Freundschaft plötzlich und ohne Begründung abzubrechen, während man beim „Caspering“ einfühlsam, aber klar Bescheid sagt, dass der Kontakt endet.

Die Ausstellung „#neuland“ des Frankfurter Museums für Kommunikation steht – doch ihre Fragen und Antworten kann man bis vorerst 10. April nur im Internet kennenlernen. Fotos: Sven Moschitz; Atlas – stock.adobe

Derlei digitalen Nachhilfeunterricht liefert das Frankfurter Museum für Kommunikation derzeit statt des realen Gangs durch seine Ausstellung „#neuland: Ich, wir & die Digitalisierung“ in einem Glossar seiner perfekten Online-Aufarbeitung der Schau. Und was den Chat-Beziehungsabbruch betrifft: Einige Besucher nutzen auch die gebotene Chance und stimmen darüber ab, welche der genannten Formen korrekt oder unmöglich sind.

Die Corona-Schließung des Museums kam just, als die gemeinsam mit der Nemetschek-Stiftung vorbereitete Schau fertig aufgebaut, aber noch nicht eröffnet war. Jetzt kann sich der Betrachter statt wunder Füße beim realen Rundgang wunde Augen am Bildschirm holen. In einer „Sneak Preview“, die eine Vernissage ersetzen musste und nun auch im Web steht, lernt man „#neuland“ als Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und deren unausweichlichen, aber auch mitunter verhinderbaren Folgen kennen. Man kann – sogar mit einem Begleitprogramm, das Mitdiskutieren erlaubt – erleben, was das Museum als „großes Land“ bezeichnet, „das uns in Teilen schon vertraut ist – in dem es aber auch noch unendlich viel zu entdecken gibt!“.

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„Wie wirkt sich die Digitalisierung ganz konkret auf unser Leben aus?“, lautet die Frage, der wir uns ganz real bald auch hierzulande werden stellen müssen. Denn, was keiner ahnen konnte, als das Konzept entworfen wurde: Corona könnte digitale Schleusen öffnen, deren Tore bei uns bislang fest verschlossen waren. Beispielsweise indem infizierte Menschen via Handy erkannt und ihre Kontakte nachvollzogen werden können, was Ansteckungen verhindert – das Privatleben jedoch auf eine Weise offenbart, die das bisherige Sammeln individueller Daten im Hintergrund geringfügig erscheinen lässt.

Informationen sind auf neuen Wegen zugänglich, die Grenzen zwischen digitaler und analoger Realität lösen sich immer mehr auf. Die Ausstellung stellt Plus und Minus der digitalen Welt als gesellschaftliche Prozesse in fünf Kapiteln vor, wenn es um „Identität im Internet“, die „Kommunikationsflut“ oder die „Selbstoptimierung als Lebensstil geht und um die Frage, ob sich die Hoffnung, dass mit dem Internet „Wissen für alle“ weltweit wird, nicht längst in ihr Gegenteil verkehrt hat.

Filme im Netz machen Ausstellung erlebbar

Leben erhält das Ganze im Web dabei durch kleine Filme, in denen einige User ihren Umgang mit dem Web erläutern. Dabei spannt sich ein weites Netz der Einschätzungen vom sogenannten „Digital Native“ über eine Frau, die auf den neuen Wegen ihre Kontakte nach Lateinamerika halten kann, und den Homosexuellen, der über virtuellen Austausch zu Selbstbewusstsein kam, bis hin zum Spezialisten für Künstliche Intelligenz, der medizinische Daten sammelt und verwertet.

Von Annette Krämer-Alig