Ein Unhold naht: "mein eigen" hat Ulrike Rothamel ihre Arbeit aus dem Jahr 2016 genannt.
(Foto: Galerie C. Klein)
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DARMSTADT - Bis 2007 verlieh es dem Campari sein charakteristisches Rot. Die Rede ist vom Cochenille, der aus einer exotischen Schildlaus gewonnenen Substanz, die über ein Färbungsspektrum von Karmin und Purpur bis zum dunklen Violett, aber auch zum zartesten Rosa verfügt. Mary Anne Imhof treibt es immer wieder auf die Kanaren, weil es der nächste Ort ist, wo das von Kakteen sich nährende Insekt gedeiht. In Versuchsreihen, die in ihrer forschenden Systematik schon etwas Alchimistisches haben, pulverisiert die Schweizer Malerin das Pigment und kombiniert es mit Bindemitteln wie mit Mineralien, um unter anderem herauszufinden, welche Mischung die lichtechteste ist.
Wie rote Regentropfen, die ans Fenster klopfen
Ihr Lernprozess mag dabei direkt proportional sein dem Wahrnehmungsprozess des Betrachters, der im Atelier-Saal der Galerie die beiden übereinander gehängten Reihen von je acht gleichformatigen, aufs Kolorit reduzierten Bildern abschreitet: unten matte Leinwandoberflächen, tüpfelig bepinselt wie rote Regentropfen an einer Fensterscheibe, von links nach rechts in blasses Rosa sich aufhellend; oben glänzende, mit Kunststoffharz versiegelte Holztäfelchen, von Station zu Station zu Dunkel-Violett sich steigernd.
Keine Darmstädter Kollegin böte da einen kongenialeren Anschluss als Ulrike Rothamel. Fungiert doch das in jeder ihrer figürlichen Kompositionen auftauchende sonore Rot wie ein Markenzeichen. Keine Vitalfarbe - eher strahlt etwas Bleiernes aus von diesen Menschen, die einsam wirken, selbst wenn sie gruppenweise, etwa als abgemaltes Familienfoto, auftreten. Ein kleines Mädchen erstarrt vor Schreck, den - natürlich roten - Teddy an die Brust gepresst, wenn Spielzeugsoldaten zum Leben erwachen und aus dem Gebüsch ein Unhold hervorbricht. Wirklich aufmunternd blickt auch der ein paar Jahre ältere, stirnrunzelnde Knabe nicht drein, der sich vor einem Tulpenbaum fürs Porträtfoto aufbaut.
Wer sich von der Melancholie so konsequenter Malerei-Serien heruntergezogen fühlt, darf Trost suchen bei Roger Rigorth. Der Träger des Ersten Preises der diesjährigen Skulpturen-Triennale Bad Ragaz hat ein Duo formidentischer, nur dimensional leicht abweichender Holzkonstruktionen beigesteuert: halb Kegelfigur, halb Vase, halb Orgelpfeife, streben sie in schlanken Kurven himmelwärts und berühren fast die Decke des Raums. Zudem sind sie luftig nicht allein bezüglich der Höhe, sondern auch der Rundum-Durchbrochenheit der Wände. "Wassergehäuse" von ihrem Urheber getauft, könnten sie ebensogut "Windgehäuse" heißen. Den Schwere-Pol setzen zwei kleine Bronzegüsse dagegen, die an prähistorische Taucherglocken oder U-Boote erinnern - und daran, dass Fahrzeuge seit je zu den Ding-Metaphern dieses Bildhauers gehören.
Bis 13. Oktober in der Galerie C. Klein in Darmstadt, Schumannstraße 11, Freitag 15 bis 18.30 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr.