Die Darmstädter Fenstergalerie Will zeigt Malerei von Lucie Nový-Herchenröder. Das beherrschende Thema ihrer Großformate ist der nackte Körper als Sinnbild der Seele.
Von Annette Krämer-Alig
Kulturredakteurin Darmstadt
Lucie Nový-Herchenröders Mischtechnik-Bild“Medusa“ ist Teil ihrer Ausstellung „Corpus delicti“ in der Darmstädter Fenstergalerie Will.
(Foto: Lucie Nový-Herchenröder)
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DARMSTADT - „Corpus delicti“: Als diesen „Körper des Verbrechens“ bezeichnete man einst die äußeren Merkmale einer Straftat – und vor allem das Beweisstück, das denn Täter überführte. Doch welchen Beweis für Unmenschlichkeit können gemalte Menschen erbringen?
Wenn die 1968 geborene und seit 1988 in Darmstadt lebende Malerin und Grafikerin Lucie Nový-Herchenröder ihre Ausstellung in der Darmstädter Fenstergalerie Will „Corpus delicti“ nennt, spielt sie mit einem ihrer Hauptthemen: mit den psychischen Entblößungen gelebten Lebens. Sie übersetzt diese Seelenzustände in Bilder verletzter, aber auch triumphierender Körperlichkeit.
Körperbilder werden zu Sinnbildern
Stilistisch in der Nachfolge der Neuen Wilden ist solche Nacktheit das Thema der gezeigten Acryl-Großformate aus den Jahren 2017 bis 2019. Die zentral postierten Körper beherrschen in ihrer Einzelwucht die Gemälde, aber ihnen wurde keine Individualität gegeben. Sie haben keine Gesichter, wirken gezielt deformiert: Sie sind Sinnbilder, deren inhaltliche Wirkung noch gesteigert wird durch das kontraststarke farbige Drumherum, bei dem die Ränder gezielt ausgespart bleiben.
Lucie Nový-Herchenröders Mischtechnik-Bild“Medusa“ ist Teil ihrer Ausstellung „Corpus delicti“ in der Darmstädter Fenstergalerie Will. Foto: Lucie Nový-Herchenröder
Lucie Nový-Herchenröders Mischtechnik-Bild „Medusa“ ist Teil ihrer Ausstellung „Corpus delicti“ in der Darmstädter Fenstergalerie Will. Foto: Lucie Nový-Herchenröder
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An den Tod, der zum Begriff des „Corpus delicti“ ja gehört, erinnern in diesen Bildern freilich nur die männlichen Körper. Der „Fall des Ikarus“ beispielsweise ist wie seit der Antike auch bei Nový-Herchenröder eine Tragödie. Die Frauengemälde wirken da lebhafter, auch lichter in der Farbe. Auch ihre delikat in Weiß und Grau wiedergegebenen Körper sind in ungewisse örtliche oder zeitliche Horizonte eingebunden. Aber sie scheinen schnell laufen und tanzen zu können, oder sie gehen auf einen „Spaziergang in Blau“, so ein Bildtitel. Dabei wird der „Corpus delicti“ dann sogar zu einem Ort von Lebenslust.
Die studierte Grafikerin Lucie Nový-Herchenröder hat Gespür für Komposition, Farbe und Mischtechniken. Dazu scheint in ihren kleinen Formaten auch Freude am Rückblick in die Geschichte von Malerei und Zeichnung zu kommen. Die Mischtechnik „Medusa“ beispielsweise wirkt sowohl wie eine Auseinandersetzung mit der Kunst von Symbolismus und Jugendstil als auch mit den Stilmitteln des Comics. Und die Monotypien der langen „Monokraken“-Serie bringen ein quallig-rotes, verschwimmendes Augenwesen in Wasserlandschaften, deren vielfarbige Transparenz unwillkürlich an Monet denken lassen.