Der Triennale-Name steht für den Lichtstrahl, da Fotografieren oft als Zeichnen mit Licht bezeichnet wird.
FRANKFURT. Ja, was denn nun, mag man genervt denken: Kann sich der Künstler irgendwann mal entscheiden, was er meint? Erst verkündet er per Audiobeitrag, dass Fotografieren wie Philosophieren mit Bildern sei, kurz darauf aber soll Fotografieren nichts mit Philosophieren zu tun haben. So geht das ständig mit bekannten Zitaten, die Adrian Sauer im Internet gefunden und sogleich ins Gegenteil verkehrt hat. Doch damit bringt uns Sauer ins Grübeln, was die Fotografie leisten kann.
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Jedes Bild kann wahr oder falsch sein, zumindest aber ist es relativ. Und es kann von vielen Seiten betrachtet werden, was Sauer in der Frankfurter Kunststiftung DZ Bank auch zeigt. Seine Wolkenfotos etwa wirken durch Umkehr der Farbwerte jedes Mal ganz anders. So werden in Sauers Soloschau alle gängigen Sichtweisen hinterfragt – auch die Kunst ist nicht frei von persönlichen Prägungen der Urheber und Betrachter.
Damit stimmt der Leipziger Adrian Sauer auf das diesjährige Thema der Foto-Triennale „RAY“ im Rhein-Main-Gebiet ein, einem der großen deutschen Festivals, das seit dem Start im Jahr 2012 rasch internationales Renommee erlangt hat. Der Triennale-Name steht für den Lichtstrahl, da Fotografieren oft als Zeichnen mit Licht bezeichnet wird. In diesem Jahr widmen sich fünf von elf Ausstellungen den alten und neuen Ideologien, vom Kolonialismus und Rassismus bis zu den Neonazi-Morden.
Idealer Nährboden für Ideologien
Das Thema ist aktueller denn je, meint Susanne Pfeffer, die Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst (MMK), denn die Pandemie erwies sich als idealer Nährboden für Ideologien. Da das Thema viele umtreibt, stellen wir hier die fünf Hauptausstellungen in Frankfurt und Eschborn zusammen vor. Die kleineren Projekte sind über die Rhein-Main-Region von Wiesbaden bis Darmstadt verteilt.
Im Museum Angewandte Kunst berichten drei schwarze Fotografinnen und Fotografen über ihre Heimatländer. Yves Sambu etwa zeigt schick gekleidete Männer auf Friedhöfen in Kinshasa. Zu Kolonialzeiten war es üblich, dass die Sklaven die abgelegte Kleidung ihrer Herrschaft als Lohn erhielten. Später entstand daraus die „Sapeur“-Bewegung, fast ein Wettbewerb, der die alte koloniale Geste bis zur Karikatur verzerrt. Alle schmücken sich, ob Jung oder Alt, mit vorgeblich edlen Stoffen, die freilich oft nur Imitate von Gucci & Co. sind.
Ungleich düsterer geht es in Mohau Modisakengs Video zu. Wie in Trance richten sich schwarze Männer mühsam auf, um rasch wieder niederzusinken. Für den südafrikanischen Künstler hat sich seit dem Ende der Apartheid nicht viel verändert, die Arbeit in Kohleminen bestimmt noch immer alles. Yagazie Emezi indes arbeitet als Modefotografin, auch für Vogue. Doch die Nigerianerin treibt die Frage um, wie sie schwarze Körper zeigen kann, ohne den üblichen Blick. Emezi entschied sich für pralle Bilder, ihre Models posieren vor Obst und Fleisch – ergo wird Afrika satt, hat aber keine Menschenwürde. Beim weiteren Rundgang verdichtet sich dann der Eindruck, dass sich eher Frauen mit dem schwarzen Körper beschäftigen. Auch Ja’Tovia Gary aus Dallas thematisiert dies in ihrem 40-minütigen Video, das im Zollamt MMK läuft, dem Ableger des Museums für Moderne Kunst gegenüber dem Haupthaus. „The Giverny Document“ bezieht sich nämlich auf Claude Monets berühmten Garten, der eine Ikone in Europa ist – in diesem Idyll wirkt Gary seltsam fremd. Das Video erzählt auch von farbigen Promis, darunter Josefine Baker, die Garys Uroma sein könnte und schon vor 100 Jahren als exotische Sex-Ikone galt.
Blütenweiße Skulptur einer griechischen Pandora
Im Fotografie Forum beklagt eine weitere schwarze US-Amerikanerin die weiße Vorherrschaft. Qiana Mestrich entdeckte nämlich in einem Museum die blütenweiße Skulptur einer griechischen Pandora. Dieses Schönheitsideal hinterfragt sie mit Bildern der eigenen Kinder, sie kontrastiert deren dunkle Haut mit weißen Fellen. Ein beharrliches Kreisen um sich selbst also, das Betrachter vielleicht ermüden mag. Aber es zeigt den Schmerz und die Verwundbarkeit farbiger Menschen.
Der Nigerianer Akinbode Akinbiyi wiederum lebt schon seit 30 Jahren in Berlin und ist als „Wanderer mit der Kamera“ bekannt. Er streift tagelang durch Städte und knipst einfach drauflos. Neben Bildern aus Nigeria zeigt Akinbiyi neue Fotos aus Frankfurt – natürlich hat er auch das stadtbekannte Bild des Dunkelhäutigen entdeckt, der Kindern aus einem deutschen Märchenbuch vorliest, – so bunt ist die Welt heute allemal.
Der spannendste Themenmix gelang der Deutschen Börse Photography Foundation in Eschborn – alles dreht sich um Abgrenzung, Ausgrenzung und Abschreckung. Eddo Hartmann erkundete Nordkorea, Máté Bartha zeigt an halbmilitärischen Camps in Ungarn den fatalen Einfluss auf Kinder, Paula Markert reiste auf den Spuren der NSU-Morde durch Deutschland, Salvatore Vitale prüfte das Sicherheitssystem der Schweiz. Vier Fotografen dokumentieren die Versuche, alles zu beherrschen und nur wenig zu ändern. Das ist entlarvend genug.