"Panikraum" heißt die neue Freiplastikenausstellung der Darmstädter Sezession auf dem Ziegelhüttengelände. Zu sehen sind ab Samstag, 11. August, Arbeiten von 26 Künstlern.
Von Annette Krämer-Alig
Kulturredakteurin Darmstadt
Vielfalt der Skulptur auf der Darmstädter Ziegelhütte: Links Shinroku Shimokawa, Preisträger von 2016, rechts Sezessionsvorstand Matthias Will mit einer Plastik Bärbel Diekmanns. Fotos: Guido Schiek
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DARMSTADT - Batman war noch nie auf der Darmstädter Ziegelhütte. Jetzt aber bringt Sebastian Neubauer ihn dort in den Gartenpavillon. Denn der Multimediakünstler bewirbt sich mit seiner Arbeit "Yes They Are Calling The Batman!" um den Preis der Darmstädter Sezession für junge Künstler. Und so steht da nun eine Art schwarzer Bürolampe, vor deren Schirm eine Folie mit Batman-Fledermaus-Ausschnitt geklebt wurde. Sie wird zur Installation mit Licht, Bewegung und Geräusch, wenn Besucher der Sezessions-Ausstellung eine bestimmte Telefonnummer anwählen und das Fledertier so in Gang setzen. Dann entfaltet Batman seine Kraft.
Die Arbeit ist ein Beispiel dafür, wie breitgestreut die Sezession heute ihre Ziegelhütten-Biennalen anlegt. Natürlich sind die meisten der 32 Arbeiten von 26 Künstlern weiterhin Plastiken in klassischem Sinn und mit klassischen Materialien, geschaffen von den Mitgliedern der Darmstädter Künstlervereinigung. Namen wie Hubertus von Pilgrim, Eberhard Linke, Kurt Wilhelm Hofmann, Bärbel Diekmann oder Siegfried Kreitner stehen für Verhaftung im abstrahierenden Figürlichen, Matthias Will, Jens Trimpin, Michael Zwingmann oder Siegfried Kreitner dagegen für geometrische Anordnungen und Kinetik.
Doch dazu kommen eben auch die neun Preis-Bewerber und damit die Batman-Show oder die "Schleuse" von Jochen Damian Fischer aus lauter Alltagsmaterialien. In dieser Konstruktion mündet der in eine massive Betonwand eingelassene Gully in einem Betonrohr, das wiederum in eine leichte Holzkonstruktion eingelegt wurde: Das meiste schaut eben von hinten anders aus als von vorn, könnte hier eine Aussage sein.
Vielfalt der Skulptur auf der Darmstädter Ziegelhütte: Links Shinroku Shimokawa, Preisträger von 2016, rechts Sezessionsvorstand Matthias Will mit einer Plastik Bärbel Diekmanns. Fotos: Guido Schiek
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Gerät man beim Kriechen durch diesen Gully oder auch beim Besuch in der meterhohen, engen Netzarchitektur "Grid System No 1", die David Grigori Stern aus hunderten Holzlatten aufgebaut hat, in den "Panikraum" des Ausstellungstitels? Oder zielt dieser Titel der Schau vielleicht als "Panik Raum" (so wird auf der Einladungskarte geteilt) ab auf den allzeit größten Reiz und größten Widerstand für Bildhauer: auf die künstlerische Bewältigung von Dreidimensionalität?
Der Rundgang zeigt, dass viele Künstler die Chance zur inhaltlichen Aussage genutzt haben. Dabei wird es bei den Älteren oft sehr ernst. Kurt Wilhelm Hofmanns kleiner Bronzeschädel beispielsweise hat eine intakte Decke. Aber das gewesene Gesicht scheint ein Feld der Zerstörung. Ihrer göttlichen Lebensfreude beraubt scheinen dagegen Bärbel Diekmanns "Dionysos" und "Silen" - die prächtig ausgearbeitete antike Muskelkraft wird zum Nichts, wenn der obere Teil des Schädels oder das Gesicht stellvetretend für Gehirn oder Gefühl deformiert wurden oder fehlen.
TERMINE
Die Ausstellung auf dem Darmstädter Ziegelhüttengelände, Kranichsteiner Straße 110, wird heute, 11. August, um 17 Uhr eröffnet. Die Finissage mit Verleihung des Sezessionspreises für 2018 ist am Sonntag, 16. September, um 13 Uhr.
Im Rahmenprogramm wird am Sonntag, 26. August, um 16 Uhr zu einer Klang-Performance von Makiko Nishikaze eingeladen. (aka)
Kanonen, die aus dem Rumpf herausragen, geben Klaus Duschats "Boot" aus Stahl Kriegsanmutung. Beim zweiten Hinsehen wird aber klar, dass diese böse Erinnerung aufgedockt scheint. Meint das etwa Hoffnung auf bleibenden Frieden?
Jens Trimpins rigid formreduzierte, offene Stahlkonstruktion erzählt wenige Meter weiter eine Geschichte, die wenig Hoffnung auf derlei Dauerharmonie macht. Das Werk ist über den Titel zu erschließen: In seinen - preisgekrönten - "Pisaner cantos" zeigte der Dichter Ezra Pound sich als glühender Verehrer des italienischen Faschismus, weswegen er 1945 nach dem Einmarsch der US-Truppen einige Zeit in Pisa in einem eigens angefertigten Käfig "ausgestellt" wurde.
Die Endlichkeit des Seins begleitet den Ausstellungsbesucher auf der Wiese. Shinroku Shimokawa scheint in seinem Werk Naturgesetze und die sprichwörtliche Unendlichkeit der Kunst dagegen zu setzen. Der Sezessions-Preisträger von 2016 zeigt hier seine kleine, mit der Auszeichnung verbundene Ausstellung aktueller Arbeiten.
Dabei stößt man im Garten auf eine ungewöhnliche Gruppierung von Alltags-Behältnissen. Egal, ob große Industrietonne oder kleiner Putzeimer, wuchtige Betonwanne aus Plastik oder Keramikblumentopf: Shimokawa hat diesen "Horizont" millimetergenau auf eine Höhe gebracht. Er zeigt, wie gleich angeblich Verschiedenes werden kann, wenn man nur eine Variable in eine feste Vorgabe verwandelt. Das Wasser, das Shimokawa in alle Gefäße gegeben hat, hat sich naturgegeben so verteilt, dass auch seine Oberfläche überall auf gleicher Höhe steht.