Mehr Wut bei der Steinigung, bitte!

„Der soll sterben!“ fordert das Volk, hier vom Darmstädter Bachchor vertreten. Rechts Chorleiterin Angela Gehann-Dernbach. Foto: Claus Völker Foto: Claus Völker
DARMSTADT - Am Sonntag (11.) wird der Bachchor Darmstadt in der Pauluskirche das „Paulus“-Oratorium von Mendelssohn Bartholdy zu Gehör bringen. In der sehr konzentrierten Hauptprobe war die Vorfreude auf das Konzert spürbar. Den Namenspatron der Pauluskirche hätte es sicher gefreut.
„Weg, weg mit dem“ ruft das von Saulus angestachelte Volk in der Steinigungsszene des Märtyrers Stephanus. Die vier Chorstimmen des Darmstädter Bachchors türmen sich übereinander, und die versetzten Forte-Einsätze malen das Durcheinander der aufgebrachten Menschenmenge plastisch nach. Ebenso beim „Steiniget ihn!“
Doch Angela Gehann-Dernbach fordert in der Anfangsszene von Mendelssohn-Bartholdys Oratorium „Paulus“ noch mehr Einsatz. Bei „Der soll sterben!“ sollten die S-Laute aggressiver kommen. Richtig zischen müsse das. Schnell setzt der Chor die Anweisung um. All diese Volkschöre sind für den Bachchor kein Problem. Erinnern sie doch sehr an Mendelssohn Bartholdys Vorbild Johann Sebastian Bach, der das Volk in den Kreuzigungsszenen seiner Passionen fast opernhaft agieren lässt.
Bestechend wirkt hier die vielfältige Gestaltung der Chorsätze. Mal in Aktion, mal erzählend oder – in den Chorälen – reflektierend ist der Chor an 23 der 45 Nummern beteiligt. Das bedeutet viel Probenstoff für den rund siebzigköpfigen Bachchor. „Zum Glück“, meint Kristiane Sarma aus dem Alt. „Die Musik ist sehr melodisch. Man singt es einfach gern, und es geht schnell ins Ohr.“
Dann gibt es da noch die „Gänsehautstellen“ mit dem typisch flirrenden Mendelssohn-Klang. Etwa wenn Jesus Saulus anspricht und dieser erleuchtet wird, was ihn vom Verfolger der Ur-Christen zum Apostel Paulus verwandelt.
Solche Passagen sind derart filigran komponiert, dass Gehann-Dernbach an der synchronen Atmung und Aussprache ihres Chores unermüdlich feilt. Sogar das Blättern wird geübt: „Nicht in die Pausen rascheln!“ So bleibt die Spannung erhalten, wenn Saulus in gut zwei Stunden Kirchenmusik zum Paulus wird.
Für gut geölte Stimmen im Bachchor sorgt seit geraumer Zeit der Stimmbildner und Tenor Joshua Farrier, der auch während der Chorprobe wichtige Tipps gibt. Zudem haben sich neue, junge Sänger dazugesellt. Die Zuhörer dürfen also gespannt sein auf das Konzert am Sonntag mit dem Bachchor, der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg und vier Gesangssolisten. Nach 1999 ist es die zweite „Paulus“-Aufführung des Bachchors, damals noch unter Gehann-Dernbachs Vater Horst Gehann. „Ihr habt gesungen wie die Engel“ erinnert sich Chorsängerin Sarma an sein Lob nach dem damaligen Konzert.
Konzert Der Bachchor führt das Paulus-Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy am Sonntag (11.) um 18 Uhr in der Pauluskirche, Niebergallweg 20, auf. Karten an den bekannten Vorverkaufsstellen und an der Abendkasse.