Ausflug in Parallelwelten
DARMSTADT - Es kann laut werden in der Hochspannungshalle der Technischen Universität Darmstadt, sehr laut sogar, wenn dort künstliche Blitze erzeugt werden. Deshalb ist die Halle rundum akustisch gedämmt. Dass sich dieser fantastische Ort allerdings auch für die leisen Töne eignet, war am Donnerstag bei Konzert und Lesung im Rahmen des Festivals „Komet Lem“ zu erleben.
Oliver Löw, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Polen-Instituts und Organisator des Festivals, hatte als Appetitanreger für das umfangreiche Werk Stanisław Lems eine Erzählung aus den „Sterntagebüchern“ mitgebracht. Darin landet der Raumfahrer Ijon Tichy auf dem winzigen Planeten Erpeya, wo sich die Bewohner nachts durch einen Apparat pulverisieren lassen, um am nächsten Tag mit Hilfe einer atomaren Personenbeschreibung wieder aufzuerstehen. Der Neugierige probiert’s auch und – die Tür des Apparates klemmte – kommt als Napoleon wieder. Macht nichts, die exakte Personenbeschreibung für Moleküle, Eiweiße und Chemie liegt ja vor, die Reparatur ist kein Problem.
Höllenritt unter Hochspannung
Umrahmt wurde die witzige Lesung von Kompositionen von Studierenden der Akademie für Tonkunst aus dem letzten Semester, die im Hinblick auf das Festival entstanden sind. In den Werken beschäftigen sich vier Komponisten mit Welten jenseits des konkret Fassbaren. Nur Gihyun Kil mochte seinem Klaviertrio keine außermusikalischen Erläuterungen beigeben. Doch entsprachen die Motorik und pointierte Rhythmik seines Stücks durchaus der Vorstellung von einem spannungsgeladenen Höllenritt.
Ausdrücklicher Bezug auf das, was zwischen Himmel und Erde liegt, nahm der Argentinier Pablo Lascano, der in „#5“ an Mythen aus seinem eigenen Land erinnert. Da erklingen die eindringlichen Trommel- und Glockenschläge wie die Begleitung zu einem Ritual, während Cello und Flöte flirrend und luftig sphärische Klänge verbreiten. Hyeonwoo Lee entwickelt in „Parallelwelt“ aus der Reibung zweier Halbtöne ein farbengesättigtes Stück, das in der Besetzung für Englisch Horn, Horn, zwei Gitarren und Klavier eine ausgezeichnetes Gefühl für die Instrumentation aufweist.
Lukas Grossmanns „Wiederkehrende Erinnerungen...“ gestalten sich fast wie ein Oboenkonzert, bei dem die übrigen Instrumente nurmehr Begleitfunktion haben. Wie ein unregelmäßiges Metronom erscheinen die gezupften Töne des Cellos. Schließlich nimmt Kushtrim Gashi die düstere und aufwühlende Stimmung aus Franz Schuberts Lied „Der Doppelgänger“ auf und fragmentiert, was bei Schubert lyrisch verarbeitet wird. Die insgesamt 13 Interpreten – alle von der Akademie für Tonkunst – überzeugten das Publikum mit ihrem konzentrierten und engagierten Spiel.