Alpinist Eric Barnert schickt auch seinen Krimihelden in die Berge
DARMSTADT - Spektakuläre Verfolgungsjagden zwischen Felsspalten und Lawinen, die nicht nur Menschen, sondern auch Diamanten verschlucken: Man könnte meinen, dem erfahrenen Alpinisten Eric Barnert ist das Klettern zu langweilig geworden. In seinen Krimis werden die Berge zum Schauplatz von Verbrechen.
Jedenfalls will er es nicht so machen wie all die anderen: Erlebnisberichte schreiben über erstürmte Gipfel. Das sei ja "mehr oder weniger die Schilderung egozentrischer Trips", befindet Barnert. Er sitzt, die Strickjacke über dem Hemd, auf seiner Couch im Komponistenviertel vor dem prasselnden Kamin, lässt sich immer wieder zur Lehne zurücksinken, während er übers Schreiben spricht.
Plötzlich springt Barnert auf, schlurft in Filzpantoffeln zum Bücherregal. Gelesen hat er sie alle, die Messners, Krakauers, Harrers. War mit ihnen in Gedanken auf dem Nanga Parbat, am Mount Everest, der Eiger-Nordwand. Solche Bücher haben in ihm als Kind die Sehnsucht für die Berge geweckt.
Und trotzdem: Barnert reizt das Fiktionale. Auf dem Sideboard liegen seine eigenen Exemplare von "Kreuzkogel", das Debüt um Kletterer Martin Keller aus dem Jahr 2013, und der zweite Band "Schneekristalle", den er im vergangenen Herbst veröffentlicht hat. "Warum nicht mal eine interessante Story spinnen und gleichzeitig etwas über die Berge erzählen?" Und vielleicht, schiebt der 47 Jahre alte Autor nach, über die Story ja auch einen populäreren Zugang zum Bergsport schaffen.
Mit dem kennt sich der promovierte Mineraloge nämlich richtig gut aus. Als Vierzehnjähriger hat er den ersten Viertausender bezwungen, "aus einer naturromantischen Schwärmerei" heraus, erzählt er. Katze Minka streicht um seine Beine. Dann muss er schmunzeln: "Inzwischen sehe ich das Klettern nicht mehr so heroisch."
Inzwischen - da war er unter anderem Fachübungsleiter fürs Alpinklettern und für Hochtouren, Autor für Fachmagazine und Vorsitzender des Hessischen Landesverbands des deutschen Alpenvereins. Auch die Darmstädter Hütte bei Sankt Anton am Arlberg hat Barnert lange betreut. Er springt auf, kramt im Bücherregal, holt eine Zeitschrift hervor. Darin wurden seine Fotos veröffentlicht. Nach kurzem Blättern: Auch die Hütte ist darin zu sehen. Einige Zeilen seiner Krimis seien dort entstanden, erzählt Barnert.
Denn viel stärker noch als bei seinem Debüt hat der Darmstädter für sein zweites Buch in der Gegend recherchiert. Um den Silvretta-Stausee, nur einen Steinwurf von der Darmstädter Hütte entfernt, geht es darin. Der Stausee ist im "Dritten Reich" von Zwangsarbeitern errichtet worden, im Krimi wirft das Schatten bis in die Gegenwart. Dann steht Barnert auf, flitzt um die Couch, fischt ein dicht beschriebenes schwarzes Notizbuch aus der Laptoptasche.
Mit etwa 25 Interviewpartnern - Hüttenwirten, Historikern, Alpinpolizisten - habe er am Arlberg für sein neues Buch gesprochen. Historie, Schauplätze, Namen: Alles ganz authentisch. "Das könnte man genauso verfilmen", sagt Eric Barnert. Ein leiser Traum.
Der wissenschaftlichen Laufbahn hat der Doktor mittlerweile den Rücken gekehrt. Ein Sachbuch über den Wein und die Geologie der Bergstraße hat er noch geschrieben, macht vereinzelt Führungen zu diesem Thema. Doch sein Herz schlägt nun - neben den Lilien ("Dauerkarte, Gegengerade natürlich!") - für die Krimis.
Ulrich Ritzel, Wolf Haas, das sind seine Weggefährten aus dem Bücherregal auf dem Weg zum Erzähler. Die pointierte, eigene Sprache schätze er an ihnen. Und auch das eigene Schaffen hätte er "schon gerne als Literatur gesehen", sagt Barnert dann. "Ich möchte ja, dass es den Leser berührt. Anders als Alpenkrimis, die so oft Klamauk sind. Man liest es und lacht und lacht. Und dann ist es fertig."