Winnie Abel ist heute eine gefragte Autorin

Sie lässt Schauspieler gut aussehen: Winnie Abel schreibt Stücke für Amateurbühnen. Foto: Harald Kaster Foto: Harald Kaster
DARMSTADT/MAINZ - Gut, dass der Nachwuchs in den ersten Lebensjahren einen so gesunden Schlaf hatte. Manche Mütter legen sich dann erschöpft daneben, Winnie Abel aber ging an den Schreibtisch und erfand Geschichten fürs Theater. Zum Beispiel die von einem schwulen Bauern, der eine Scheinehe eingehen möchte, um das Erbe des Hofs zu sichern. Die Sache verwickelt sich schnell und bringt eine Menge von Charleys-Tante-Witz mit, der aber seltsamerweise nicht peinlich wird. „Man soll mit dem Pärchen mitfiebern“, sagt die Autorin. Und ein schwuler Bauer dürfte doch heute kein Thema mehr sein? Da hat sie sich verschätzt. Selbst im angeblich so liberalen Köln zögerten Bühnen, ob sie dieses Stück auf den Spielplan nehmen sollten. Die Pfungstädter „Sandbachmimen“ waren weniger zimperlich, für sie wurde „Ein Hof voller Narren“ in diesem Frühjahr zum Erfolg.
Winnie Abel ist gerade mal 31 und schon eine der erfolgreichsten Dramatikerinnen Deutschlands. Ihr jüngstes Stück „Neurosige Zeiten“ wurde in kurzer Zeit von rund 20 Bühnen angenommen, ihre Komödien werden in Fremdsprachen übertragen, Schauspieler vertrauen ihrem Witz. Aber ihr Name steht in keinem Stadt- oder Staatstheater auf dem Spielplan. Winnie Abel, die aus Traisa kommt und in Mainz lebt, schreibt für Amateurtheater, und von denen gibt es eine ganze Menge.
Sie weiß, was diese Truppen brauchen, denn sie hat als Schülerin schon auf der Bühne gestanden. Beim Ohlebach-Theater in ihrem Heimatort Traisa ist sie mal in die Rolle einer Esoterikerin geschlüpft und mal in die Uniform einer Polizistin. Solche Geschichten müssten sich doch auch selbst erfinden lassen? Die Idee kaum aus einer Weinlaune heraus, Winnie Abel probierte es mit dem Schreiben, in den Semesterferien während des Journalistik-Studiums. „Man will es dann schon gut machen“, erinnert sie sich. Das klappte: Als sie dann im eigenen Stück auf der Ohlebach-Bühne stand, war sie manchmal sauer auf sich selber – wenn die Schauspielerin Winnie Abel eine Rolle nicht so hinbekommen hat, wie die Autorin Winnie Abel es sich gewünscht hätte. „Da habe ich gemerkt, dass ich lieber schreibe als spiele“, erzählt sie. Geblieben ist der Respekt vor den Menschen, die auf der Bühne stehen. Und die genaue Kenntnis dessen, was ein Amateurtheater braucht.
ZUR PERSON
Winnie Abel (31) stammt aus Traisa. Das Gymnasium besuchte sie auf der Darmstädter Marienhöhe, in dieser Zeit hat sie Darmstadt vor allem als Stadt der Natur schätzen gelernt – die Wälder sind ihre liebsten Orte, besonders mag sie die Ludwigshöhe. In Dortmund studierte Winnie Abel Journalismus, beim Remscheider Generalanzeiger absolvierte sie ein Volontariat. Während Schulzeit und Studium spielte sie beim Ohlebach-Theater in Traisa, inzwischen ist sie als Komödienautorin erfolgreich. Winnie Abel lebt in Mainz, hat einen bald vierjährigen Sohn und arbeitet beim ZDF. (job)
Was ist aus ihnen geworden?
Das ECHO fragt nach bei Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur, die in der Region Spuren hinterlassen haben – was aus ihnen geworden ist und wie sie ihre Zeit in Darmstadt und Südhessen in Erinnerung haben.
Was ist aus ihnen geworden?
Das ECHO fragt nach bei Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur, die in der Region Spuren hinterlassen haben – was aus ihnen geworden ist und wie sie ihre Zeit in Darmstadt und Südhessen in Erinnerung haben.
Die Story muss das Publikum von Anfang an mitreißen
Die Möglichkeiten der Rollendifferenzierung sind ja begrenzt. „Man kann auch nicht immer erwarten, dass die Situationskomik so präzise herausgearbeitet wird“, weiß die Autorin, auch wenn sie das Talent mancher Gruppe schon unterschätzt hat. Die rasche Folge an Gags muss den Darstellern die Chance geben, ihre Komik zu entwickeln. Die Figuren müssen interessant sein, die Story muss stimmen, und sie muss das Publikum von Anfang an mitreißen.
Klingt einfach, verlangt aber genaue Planung. Es dauerte eine Weile, bis im Traisaer Reinehr-Verlag ihr erstes Stück herauskam. „Ein Mann spielt verrückt“ erzählt von einem Bauamtsleiter, der sich bestechen lässt, damit er ein Bordell genehmigt. Als hätte er nicht genug Ärger daheim mit seiner raffgierigen Ehefrau. Klischees dürfen in dieser Spielart des Humors ruhig sein, weiß Winnie Abel, aber solche Geschichten muss man erst einmal erfinden: Eine Wurstbude muss in 24 Stunden zum Edelrestaurant umgebaut werden („Kaviar trifft Currywurst“), ein Heiratsschwindler wird von Killern gejagt und versteckt sich in einer Schönheitsklinik („Jubel, Trubel, Eitelkeit“), spleenige Psychiatrie-Bewohner bekommen Besuch, dem sie ihre Macken verbergen wollen („Neurosige Zeiten“). Werden da etwa Irrenwitze auf der Bühne erzählt? Winnie Abel sieht das ganz entspannt. Klar ist es lustig, wenn ein Mann mit einer Soziophobie auf einen Zwangsneurotiker trifft. Macken können komisch sein. „Aber es ist wichtig, dass die Perspektive stimmt“, sagt Winnie Abel. Der Witz darf nicht auf Kosten der Figuren gehen. Die Perspektive muss stimmen: Der Zuschauer fiebert mit den Patienten mit, er ist auf ihrer Seite.
Ein Jahr braucht Winnie Abel für ein Stück. Während der guten Mittagsschlaf-Zeiten waren es auch mal zwei, und das Schreiben war eine gute Flucht aus dem Gefühl der häuslichen Enge, das sich in jungen Familien einstellen kann. „Das Stückeschreiben hat mich gerettet“, erinnert sie sich. Beim Nebenher-Schreiben fiel es ihr leichter, an einer Geschichte dranzubleiben. Jetzt muss sie ihre Schreibzeit planen, um sie mit dem Redakteursjob beim ZDF und dem Familienleben vereinen zu können.
In der Nische des Amateurtheaters haben es Autoren gar nicht so schwer, findet sie. „Verlage müssen ja nicht viel investieren“, sagt die Autorin, „sie stellen das Material bereit und müssen erst einmal keine großen Auflagen drucken.“ Würde sie nicht gerne auch einmal für professionelle Bühnen schreiben? Nein, antwortet sie, lieber einen Roman. Aber da müsste man erst einmal einen Verlag finden. Da vertraut sie dann lieber den Amateurbühnen – und wenn sie eine besucht, fragen die Schauspieler immer, ob sie zufrieden gewesen sei. Wenn sie gut aussehen, ist es immer auch ein Erfolg ihrer Autorin.