Beim Festival "Zeitströme" bringen junge Talente und Profis taufrische Musik nach Darmstadt
Von Thomas Wolff
vor 3 Jahren
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Da werden die Gehörgänge mal schön durchgeputzt: Überraschende Klänge und Kompositionen verspricht das Festival "Zeitströme" ab dem 15. Februar in Darmstadt. Flötentöne aus unerhörten Tiefen, exotische Trommeln und delikate, handgezupfte Sounds aus dem Flügel stehen zwei Wochen lang auf dem Programm.
FESTIVAL-TERMINE
Unter dem Titel "Zeitströme" stehen diesmal die Tage für aktuelle Musik, das jährliche Festival fürs Zeitgenössische an der Darmstädter Akademie für Tonkunst. Der Eintritt ist an allen Tagen frei. Eine Terminauswahl:
Beim Eröffnungskonzert (Titel: "Vierteltönig") am 15. Februar spielen Lehrende der Akademie für Tonkunst Werke von Toni Völker, Karl-Wieland Kurz und anderen Komponisten. Am 17. präsentieren sich beim "Forum junge Solisten" Studierende des Hauses; Stücke von Rihm und Lachenmann stehen auf dem Programm.
Das "Ensemble Tonkunst" trägt am 20. neue Stücke vor, die in der Kompositionsklasse von Il-Ryun Chung entstanden sind.
Eine "Lange Nacht der Zeitströme" folgt am 25.: Zunächst erklingt ab 18 Uhr avancierte Musik für extrem tiefe Blockflöten, Elektronik und Schlagwerk mit der Flötistin Susanne Fröhlich; ab 20.30 Uhr folgt das renommierte "Ensemble Phorminx" mit "Musik über Musik", dazu Gespräche mit Komponisten.
Das Finale bestreitet am 26. ebenfalls "Phorminx" mit eine Porträtkonzert für den Akademiedirektor Cord Meijering.
DARMSTADT - Kann gut sein, dass der Pianist mal länger abtaucht während seines Konzerts. Dann beugt sich Gihyun Kil weit in den geöffneten Flügel hinein, zupft mit seinen Fingernägeln beherzt an den Stahlsaiten, entlockt ihnen kurze, scharfe Klänge, während die andere Hand auf den Tasten kolossale Basstöne anschlägt.
So hat man das gelegentlich schon bei Konzerten an der Akademie für Tonkunst erlebt. Das "Inside Piano"-Spiel ist nicht ganz neu, zugegeben, aber immer wieder überraschend. Zumal der Anfang Zwanzigjährige ja noch ziemlich am Beginn seiner Karriere als Komponist und Interpret steht: Kil studiert an der Darmstädter Akademie für Tonkunst. Was der neugierige Nachwuchs des Hauses in den letzten Monaten entwickelt hat, ist dort jetzt beim Festival "Zeitströme" zu erleben. Ab dem 15. Februar versprechen die "Tage für aktuelle Musik", so der Untertitel, außergewöhnliche Hörerlebnisse; junge Talente und gestandene Profis teilen sich die Bühne.
Gihyun Kil ist einer der sieben abenteuerlustigen Studenten aus der Kompositionsklasse von Il-Ryun Chung, der auch das Festival organisiert. Der Dozent, 51, gebürtiger Frankfurter mit koreanischen Wurzeln, ist selbst immer wieder überrascht von den frischen Ideen, die der Nachwuchs entwickelt, sagt er im Gespräch vor dem wöchentlichen Unterricht. Die jungen wie Kil, der beim Festival einen "Teufelsmarsch" präsentiert, bedienten sich eher einer tonalen Tonsprache mit freien Harmonien; fortgeschrittene Semester wie die Koreanerin Yeirang Kim setzen ihre Musik aus kleinen Intervallen und minimalistischen Strukturen zusammen. Von dem Text eines fernöstlichen Volksliedes, den sie verwendet, bleiben teils nur Silben übrig. Kim selbst schlägt eine japanische Trommel dazu.
Was genau gespielt wird, weiß aber auch der Dozent nicht so ganz genau. Bis zuletzt feilen die jungen Komponisten an ihren Werken für ihr Konzert am 20. mit dem 2Ensemble Tonkunst"; "aber heute ist die Deadline", sagt Il-Ryun Chung und lacht.
In der Werkstatt wird alles Neue mal getestet
Einen ersten Praxistest haben die Stücke aber schon bestanden. In der Werkstatt für aktuelle Musik, die Chung eingerichtet hat, treffen sich jede Woche Komponisten mit jungen Streichern, Flötisten, Pianisten. Letztere lernen hier, ganz neue Klänge zu produzieren, fern der gepflegten Klassikschulen. Dafür muss man dann schon mal tief ins Klavier eintauchen.
Für beide Seiten sei das eine Chance, sagt der Lehrer: "Gerade frisch geschriebene Musik wird hier sofort geprobt und auf der Bühne getestet." Dabei erfahren die Komponisten dann freilich auch, was von ihren kühnen Klangvisionen überhaupt spielbar ist - und wo sie noch mal an die Partitur rangehen müssen. Zehn Tage Zeit haben sie ja noch bis zum Start des Festivals.