Und die Glucke flattert hektisch: Der Film von Lisa Azuelos erzählt tragikomisch von der Abnabelung zwischen Mutter und Tochter.
Von Stefan Benz
Kulturredaktion Darmstadt
Ein Herz und eine Seele: Jade (Thaïs Alessandrin) umarmt ihre Mutter (Sandrine Kiberlain). Doch der Abschied ist nah.
(Foto: Alamode)
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Nesthäkchen ist flügge. Die Pariser Schülerin Jade will nach dem Abitur in Kanada studieren. Sie kann den Abflug kaum erwarten, aber Mama klammert. Die alleinerziehende Héloïse ist zwar selbst ein großer Freigeist, doch dass nach der etwas strengen Lola, ihrer Großen (Camille Claris), und dem schnodderig-schnöden Stoffel Théo (Victor Belmondo, Enkel des großen Jean Paul) nun auch noch ihr kleines Mädchen in die Welt ziehen will, lässt Muttis Nerven flattern. Auch eine Glucke muss erst wieder flügge werden, wenn die Brut ausgeflogen ist.
Jades Weg zum Baccalauréat wird denn auch für Héloïse zur Reifeprüfung. Filmemacherin Lisa Azuelos hat in der Familienkomödie „Ausgeflogen“ eigene Erfahrungen als Mutter verarbeitet und ihre Tochter Thaïs Alessandrin gleich noch als Tochter im Film besetzt. Das macht die Sache einerseits sehr charmant, andererseits entwickelt sich keine rechte Geschichte, entwickelt sich die Handlung nicht über eine Kette netter Anekdoten hinaus.
In Mutters Restaurant kommt das Gesundheitsamt zu Besuch, Opa muss zur OP, Heloïse zur Schuldirektorin, und die Tochter macht bald schon Party, bis sie kübelt. Thais Alessandrin verleiht Jades Adoleszenz dabei eine fast schon stoische Selbstverständlichkeit. So ein souveränes Kind kann sich eine Mutter eigentlich nur wünschen. Das macht das Loslassen aber umso schwerer. Offenbar verursacht die Nabelschnur nach 18 Jahren Phantomschmerzen.
Sandrine Kiberlain spielt diesen Zwiespalt umwerfend tragikomisch aus. Die ebenso unkonventionelle wie spontane Héloïse ist ja selbst im Herzen jung, legt sich voller Verve mit Obrigkeiten an, schlägt sich im kurzen Rock die Nächte um die Ohren und tagträumt sich immer wieder zurück in jene Zeit, als die Kinder noch klein waren. Das sind fließende Übergänge, und als Zuschauer ist man leicht irritiert, aber das ist wohl beabsichtigt: Héloïse hat sich gar nicht verändert, aber Jade und ihre Geschwister sind von heute auf morgen groß geworden. Es ist ein bittersüßes Erwachen: Mutter kann die Jungen nicht halten, aber wenn sie so weitermacht, wird sie selbst jung bleiben.