Spaß und Lockerheit sind zurück

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Trotz aller Trainingssteuerung und akribischer Vorbereitung offenbart der Spitzensport immer wieder, dass mit ihm einfach schwer zu planen ist. Das gilt für den Erfolg ohnehin,...

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DÜSSELDORF. Trotz aller Trainingssteuerung und akribischer Vorbereitung offenbart der Spitzensport immer wieder, dass mit ihm einfach schwer zu planen ist. Das gilt für den Erfolg ohnehin, aber auch schon für dessen Grundvoraussetzungen. Dieses besondere Spannungsmoment belastete gerade Patrick Franziska vor der Tischtennis-Weltmeisterschaft. Der Südhesse nennt es im Rückblick schlicht „Horror“, der sich nun kurz vor dem ersten Aufschlag beim Großereignis in den Düsseldorfer Messehallen immerhin in zaghafte Medaillenhoffnungen gewandelt hat.

Eigentlich hätte sich der Profi aus Nieder-Klingen langfristig auf das Heimspiel vorbereiten können. Ein Platz im Kader war ihm sicher, nachdem er im Vorjahr (als Ersatzspieler) schon im Olympia-Aufgebot für Rio stand. Langwierige Hüftprobleme setzten den Bundesligaspieler des 1. FC Saarbrücken aber über dreieinhalb Monate matt. Erst im April gelang die Rückkehr – dies aber gleich in beeindruckender Weise. Bei den Korea Open schaffte er den Einzug ins Finale und damit einen seiner größten Erfolge auf der World Tour. Dass der 24-Jährige dann im Endspiel seinem großen südhessischen Vorbild Timo Boll in 2:4 Sätzen unterlag, änderte daran nichts. „Ich habe mich auch gewundert, dass es so schnell und so gut ging“, bilanzierte Patrick Franziska die glückliche die Wende nach der nervenden Geduldsprobe.

Die Pause, so sieht es der ehrgeizige Profi im Nachhinein, hatte eben auch ihre positiven Seiten. Spaß und Lockerheit sind zurück, nachdem ihm Freundin, Freunde und Familie in den schwierigen Wochen geholfen haben, „den Kopf frei zu kriegen.“ Und dazu gab es für den als Tischtennisspieler relativ groß gewachsenen Otzberger (1,90 Meter) auch die Möglichkeit, einige „athletische Defizite aufzuarbeiten“ – zunächst nur im Oberkörper. „Die Beine durfte ich ja nicht benutzen.“ Die Überlastung an den Hüftknochen habe zwar keine akuten Schmerzen bereitet, sollte aber völlig ausgeheilt sein, um die weitere Zukunft als Profi nicht zu gefährden. „Ich will ja noch möglichst zehn Jahre spielen.“ Und das auf möglichst hohem Niveau. Denn nach dem Viertelfinaleinzug bei der WM 2015 im Einzel und dem EM-Titel 2016 im Doppel mit dem Dänen Jonathan Groth (Fulda-Maberzell) sollen weitere Schritte in die Weltspitze folgen.

Ideen zur Fitness- und Ernährungsberatung

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Nichtzuletzt bei der WM, wo sich Franziska, der von 2014 bis 2016 beim Rekordmeister Borussia Düsseldorf spielte, allemal einen Heimvorteil ausrechnet. „Ich fühle mich topfit. Ich weiß, dass ich gut drauf bin“, sagt er selbstbewusst – ein bisschen auch wie ein Werbebotschafter für sein eigenes Ernährungs- und Fitnessprogramm, das er in der langen Pause entwickelt und vorangetrieben hat und das inzwischen auch im Internet (unter spinfit.de) vermarktet wird. Er will dabei etwas von seinen Erfahrungen weitergeben. „Wie schafft man es für normale Leute, dass sie sich wohl fühlen, aber nicht allzuviel Aufwand treiben müssen, um sich gesund zu ernähren.“ Franziska schwört auf ein gutes Müsli am Morgen.

Doch auch spielerisch muss die Mischung passen, weiß der Südhesse. Ebenso die Auslosung. Und die hat es in Düsseldorf durchaus in sich. Im Einzel könnte es nach einem Auftakt gegen einen Qualifikanten in der dritten Hauptrunde zu einem Duell der beiden Odenwälder Nationalteamkollegen Boll und Franziska kommen. Sämtliche deutschen Einzel-Starter, sechs Herren und sechs Damen, sind für das Hauptfeld gesetzt und steigen erst am Mittwoch in der ersten Hauptrunde (128 Spieler) ein.

Ziel: Gut reinkommen, Rhythmus finden

Im Doppel sind Franziska/Groth als Nummer zwei gesetzt und starten an diesen Dienstag am Abend gegen ein Duo, das die Qualifikation gemeistert hat. Der weitere Weg scheint immerhin leichter als für die hoch gehandelte deutsch-chinesische Paarung, die Timo Boll und Olympiasieger Ma Long bilden. Schon im Achtelfinale warten für diese die chinesischen Turnierfavoriten Xu Xin/Fan Zhendong. Für die Sieger würden sich dann erst im Halbfinale die Wege mit Franziska/Groth kreuzen.

Weniger den Blick auf die Gegner, mehr auf die eigene Rolle, bevorzugt Franziska. Gut ins Turnier reinkommen, Rhythmus finden, lautet für ihn die Zielvorgabe. „Der Schwerpunkt wird auf dem Einzel liegen“, weiß er. Doch die Chancen scheinen im Doppel besser, zumal Franziska und Groth ihre Harmonie nicht mehr ständig einüben müssen. Vor der WM mussten wenige Trainingseinheiten reichen. „Wir verstehen uns gut. Ich weiß genau, wie er tickt und er weiß es von mir“, nennt der Südhesse die Stärke des Duos, das gemeinsam in Fulda spielte und dort auch eine WG teilte. Und so glimmt eine leise Hoffnung mit, dass es zum 25. Geburtstag in der Woche nach Pfingsten eine besondere Zugabe geben könnte. „Mit einer WM-Medaille ließe sich dann schon sehr gut feiern“, sagt Franziska.

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Von Volker Bachmann