Mit AC/DC flutscht es: 85,93 Meter

Großer Schritt für Pfungstädter Verhältnisse: Johannes Vetter erzielte mit 85,93 Metern Stadionrekord. Er musste aber vorher mit Trainer Boris Obergföll (links kleines Bild) einiges besprechen. Fotos: Thomas Zöller  Foto:

Für Bundestrainer Boris Obergföll war die Sache klar. „Es wäre schön, wenn ihr das fortführen könntet“, sagte er an die Adresse von Gerald Hoffmann, der mit seinem...

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PFUNGSTADT. Für Bundestrainer Boris Obergföll war die Sache klar. „Es wäre schön, wenn ihr das fortführen könntet“, sagte er an die Adresse von Gerald Hoffmann, der mit seinem Team vom TSV Pfungstadt, am Himmelfahrtstag eine hoffnungsvolle Premiere über die Bühne gebracht hatte: Die Speerwurfgala, die den Jubiläumssommer um 30 Jahre Abendsportfest mit einem Stadionrekord schmücken sollte. Dass das Vorhaben mit den 85,93 Metern des Olympiavierten Johannes Vetter tatsächlich auch klappte und schließlich allseits entspannte Gesichtszüge auslöste, war allerdings lange nicht absehbar.

Großer Schritt für Pfungstädter Verhältnisse: Johannes Vetter erzielte mit 85,93 Metern Stadionrekord. Er musste aber vorher mit Trainer Boris Obergföll (links kleines Bild) einiges besprechen. Fotos: Thomas Zöller  Foto:

Böiger Wind drückt auf die Weiten

Zwar strahlte am Donnerstagnachmittag die Sonne, als wollte sie mit dem typischen Abendsportfest-Wetter zusätzlich nachhelfen. Doch der böige Wind machte den Speerwerfern schwer zu schaffen. Auch dem klaren Favoriten Johannes Vetter (LG Offenburg), der zwar mit Würfen über 80 Metern von Beginn an eine Klasse für sich darstellte, aber sich am Stadionrekord von 84,09 Metern ähnlich lange abarbeitete, wie der Rest des Zehner-Felds an der 70-Meter-Marke.

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„Es fehlt immer etwas. Das wäre ja ein Ding, wenn der Boris seinen Rekord behalten würde“, raunte Hoffmann zwischenzeitlich am Rande der Anlaufbahn. Denn letztlich war es das erklärte Ziel, dass Rekordhalter Obergföll, der vor 21 Jahren noch unter dem Namen Boris Henry im TSV-Stadion aufgetrumpft hatte, von seinem Schützling Vetter abgelöst würde. 500 Euro waren für den Sieg ausgelobt, nochmal so viel für den Rekord. Keine großen Summen im Spitzensport, in Pfungstadt aber schon etwas Besonderes. Doch Johannes Vetter, der mit einer persönlichen Bestweite von 89,57 m als Weltklassemann geführt wird, schien für die Extraprämie längst die Laune verloren zu haben. Er haderte mit sich, der Technik, der Kraft: „Ich bin irgendwie platt.“ Auch die gemeinsame Nachkontrolle an der Kamera, mit der sein Trainer die Würfe aufnahm, schien kaum zu helfen. Nach den 83,51 m zum Einstieg gingen die Weiten zurück. 81,45 m und 81,38 m neben einem Versuch, den Vetter ungültig machte, genügten nicht den hohen Ansprüchen. Aber dann platzte der Knoten doch.

Mit den gut 100 Zaungästen, die ganz nah im Abwurfbereich zuschauen konnten, bejubelte Vetter zunächst im fünften Versuch seine 84,50 Meter. Und legte dann noch nach, als extra für seinen Schlusswurf endlich die gewünschte harte Rock-Musik eingespielt wurde. Mit AC/DC feuerte er den Speer noch auf 85,93 m. Der erhoffte Beleg, zur Weltklasse zu gehören, wie der gebürtige Dresdner später bilanzierte. „Durch den böigen Wind war das Treffen des Speers echt schwer“, bekannte er. Natürlich war der Stadionrekord bei diesem „Trainingswettkampf“ allenfalls Nebensache für den Athleten, dessen Ziel die WM in London (5. bis 13. August) ist. Der Ehrgeiz, den eigenen Trainer zu übertrumpfen, stachelt freilich an – allerdings über das Pfungstädter Maß hinaus. „Den Rekord kann er gerne haben. Ich hoffe, dass er bald auch meine Bestleistung bricht“, erklärte Obergföll. Denn für dessen Topweite von 90,44 m müsste Vetter, der in den vergangenen Jahren in der Offenburger Trainingsgruppe große Fortschritte erzielte, endlich die magische 90er Marke brechen.

Dazu müsste Vetter aber einiges anders machen als in Pfungstadt, merkte Obergföll an. Vor allem die Beinarbeit müsste besser laufen, eben ganz von allein. „Ich habe heute nur gesehen, wie technisch schlecht man 86 Meter werfen kann“, kritisierte der Bundestrainer. Zuletzt im Training habe Vetter deutlich bessere Leistungen gezeigt, nun müsste er sie auch im Wettkampf umsetzen. Dann würden schnell vier, fünf Meter mehr herausspringen.

An diese Weiten kann die Konkurrenz vom Donnerstag nicht denken. Markus Koch (ebenfalls LG Offenburg/70,98) brach als Zweiter immerhin die 70-m-Marke, an der Vincent Rentzsch (LG Eintracht Frankfurt/69,47) noch knapp scheiterte. Zwei Akteure aus Südhessen konnten sich allerdings steigern: Der Norddeutsche Meister Sven Schröder (TSV Asendorf), der seit 2015 beim DLV arbeitet und in Darmstadt lebt, wurde mit 66,87 m Fünfter, Jens Philip Engelmann (LG Mörfelden-Walldorf) belegte mit 56,94 m Rang sieben. „Ein schöner Wettkampf“, lobte Schröder die Organisation und hofft ebenfalls im nächsten Jahr auf eine Neuauflage. Die soll laut Hoffmann auch wirklich kommen.

Von Volker Bachmann