Leitfaden für die Industrie 4.0

Sicherheit und Datenschutz spielen in einer digital vernetzten Produktion eine große Rolle. Archivfoto: dpa

Darmstädter Wissenschaftler arbeiten an einem nationalen Referenzprojekt für die Industrie 4.0 mit. In der vernetzten Fabrik, in der Maschinen, Bauteile und Werkzeuge...

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DARMSTADT. In der Grundlagenforschung arbeiten Wissenschaftler in der Regel erstmal drauflos, ohne sich über die Anwendung Gedanken zu machen. Bei dem nationalen Referenzprojekt "IT-Sicherheit in der Industrie 4.0 (IUNO)" werden Forschungsergebnisse auf reale Situationen in der Praxis angewendet. "Ende 2018 soll eine Art Leitfaden zur Verfügung stehen", erklärt Reiner Anderl, Professor am Fachbereich Maschinenbau der TU Darmstadt und Mitbegründer des Referenzprojekts. Die Ideen dazu werden in einem Forschungslabor auf der Lichtwiese entwickelt.

Der Begriff Industrie 4.0 steht für die Verzahnung der industriellen Produktion mit digitalen Informations- und Kommunikationstechniken - und für die vierte industrielle Revolution: Zuerst war die Produktion mithilfe von Wasser- und Dampfkraft mechanisiert worden, dann folgte die Massenfertigung mit Fließbändern und elektrischer Energie und dann die Automatisierung der Produktion.

In der vernetzten Fabrik, in der Maschinen, Bauteile und Werkzeuge miteinander kommunizieren, spielen IT-Sicherheit und Datenschutz eine große Rolle. "Cybersicherheit mitzudenken lag in der Natur der Sache, als man die Zeichenbretter abgeschafft und die rechnergestützte Konstruktion eingeführt hat", so Anderl. Er ist seit 1993 Professor für Datenverarbeitung in der Konstruktion im Fachbereich Maschinenbau. Mehr als ein Viertel seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter arbeitet an dem Thema Sicherheit. Eine Konkurrenz zur Informatik sieht er nicht. Ganz im Gegenteil. "Gerade an den Schnittstellen von zwei Disziplinen gibt es oft tolle Innovationen."

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Der Ansatz ist weit gefasst. Im Fokus des Referenzprojekts stehen vier Schwerpunkte: Sichere Prozesse, sichere Daten, sichere Dienste und sichere Vernetzung. Um nicht an den Bedürfnissen der Anwender vorbeizuarbeiten, sind Vertreter aus der Wirtschaft in das Projekt eingebunden. Die Homag Group AG zum Beispiel. Ein Unternehmen, das Holzbearbeitungsmaschinen und Bauelemente für die Holzbauindustrie herstellt. "Wir greifen typische Mittelstand-Themen auf", sagt Anderl, der auch dem wissenschaftlichen Projektbeirat angehört. Ziel ist es, herauszufinden, wo bei Anwendern der Schuh drückt. Dazu wird auch die IT-Sprache in die Sprache der mittelständischen Firmen übersetzt. Der Bedarf an Sicherheitstechniken bei den Unternehmen ist hoch, die Erwartungshaltung an die Wissenschaftler auch. "Man erwartet viele Impulse von uns", sagt Anderl.

Entstehen soll letztlich eine Art Leitfaden, ein Werkzeugkasten für die Industrie 4.0 mit allgemein anwendbaren IT-Sicherheitslösungen in intelligenten Fabriken. "In der Fertigungsindustrie herrscht ein gigantischer Bedarf an Konzepten für Sicherheitskulturen", erläutert der Professor. Bislang seien solche Konzepte nur in sehr geringem Maße eingeführt worden: "Die Fertigungsindustrie hat erst jetzt verstanden, dass man sich um die Sicherheit der Systeme kümmern muss. Etablierte Sicherheitskonzepte, wie eine Firewall und Passwort-Richtlinien, reichen nicht aus".

Der Darmstädter Wissenschaftler hofft auf ein Umdenken. "Ideal wäre es, wenn die Firmen künftig die IT-Sicherheit bereits im Entwicklungsprozess berücksichtigen würden." Der Zugang zu den neuen digitalen Zugangsfunktionen soll den Firmen auf einem Technologiedaten-Marktplatz möglich gemacht werden. "Das funktioniert dann ähnlich wie in einem App-Store", erklärt Anderl.