Insektenstudien in 3D

Zeigt das kleinste Härchen der Insekten: Der Scanner, der in Darmstadt entwickelt wurde. Zusammengebaut haben ihn Teams von Michael Heethoff von der TU und Bernhard Ströbel von der HDA. Foto: Gregor Schuster

Ein Team aus Mitgliedern der TU Darmstadt und der Hochschule hat einen Scanner entwickelt, der die kleinsten Härchen von Insekten aufzeigt. Langfristig gesehen soll er dabei...

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DARMSTADT. Wie prachtvoll Insekten aussehen, wenn man ihre Körper aus der Nähe betrachtet, ist derzeit im Landesmuseum Darmstadt zu sehen. Dort bringt Levon Biss auf künstlerische Art mit seinen großformatigen Bildern die Welt der Insekten den Menschen näher. Darmstädter Wissenschaftlern ist es gelungen, mit einem selbst entwickelten Scanner hochaufgelöste 3D-Aufnahmen von Insekten zu machen, die helfen können, zum Beispiel mehr über den Einfluss des Klimawandels auf den Schwund der Tiere zu erfahren - und Insektensammlungen in Museen und Forschungseinrichtungen für die Zukunft zu erhalten.

An der Fliege ist jedes Härchen und noch der kleinste Höcker zu sehen, ein Adernetz durchzieht die feinen Flügel. Das 3D-Modell ist aus 25 000 Einzelbildern zusammengesetzt. Der Scanner digitalisiert das Insekt hochauflösend und maßstabsgetreu. Vier Jahre lang hat ein Team von Wissenschaftlern und Studierenden an Hochschule und Technischer Universität an diesem Verfahren gearbeitet.

Das Problem ist die Schärfentiefe

"Es gibt verschiedene Methoden, um Objekte mithilfe von Fotografien dreidimensional zu vermessen", sagt Professor Dr. Bernhard Ströbel vom Fachgebiet Optotechnik und Bildverarbeitung der Hochschule, "aber man bekommt große Probleme mit der Schärfentiefe, wenn man so kleine Objekte wie Insekten allseitig und in hoher Auflösung abbilden möchte". Doch genau das ist es, was sein Kollege, der Ökologe Dr. Michael Heethoff von der TU braucht: "Auf zweidimensionalen Fotos lassen sich leider nicht alle wichtigen Merkmale erkennen, auch deren räumliche Bezüge zueinander sind nicht darstellbar". Auch die Berechnungen wichtiger Parameter wie Volumen und Oberfläche sind weder am Tier selbst noch mit zweidimensionalen Fotos möglich. Diese Werte sind jedoch wichtig, um etwa herauszufinden, wie viel Wasser ein Insekt über seine Oberfläche verliert. "Wir wissen, dass Arten verschwinden, wenn sich das Klima verändert und wir wissen, dass ihnen andere Arten nachfolgen", erklärt Heethoff. "Um jedoch zu verstehen, wie sich Ökosysteme verändern, müssen wir mehr über den Mikrokosmos der Insekten erfahren."

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Dazu musste ein 3D-Scanner her, mit dem möglichst auch noch eine zwei Millimeter große Fliege messbar sein sollte. Ökologe Heethoff nahm deshalb Kontakt zum Physiker Ströbel auf, der die Idee hatte, zwei bekannte Verfahren aus der optischen 3D-Messtechnik zu kombinieren. "Wir fingen klein an und bauten zunächst mit einfachen Mitteln ein erstes Demo-Modell", sagt Ströbel. Derzeit stehen Dungkäfer im Fokus der Forscher, davon gibt es etwa 100 Arten in Deutschland - auch in Darmstädter Wäldern kann man beim Spaziergang die kugeligen schwarzen Käfer beobachten, wie sie über die Wege krabbeln. Technisch gesehen sind sie eine Herausforderung: "Sie sind schwarz und sie glänzen", erklärt Heethoff, "das ist mit das Schwierigste für die Optik. Wir denken, wenn wir es mit diesen Käfern schaffen, dann gelingt es mit allen anderen auch." Für den Scan wird ein genadeltes Insekt aus einer Sammlung in der Mitte von zwei Halbkugeln montiert, die das Exemplar von allen Seiten gleichmäßig und indirekt ausleuchten. Die Kamera fährt auf einem motorbetriebenen Schlitten vor und zurück und nimmt kontinuierlich Bilder auf. Das Insekt wird dann in regelmäßigen Abständen um zwei Achsen gedreht und kann auf diese Weise in rund 400 verschiedene Posen gebracht werden. Am Rechner werden aus diesen Daten farb- und größentreue dreidimensionale Modelle generiert.

Heethoff zeigt am Beispiel einer 24-Stunden-Ameise - sie kommt in den Tropen vor und ist gefürchtet, weil ihre Stiche äußerst schmerzhaft sind - wie die 3D-Aufnahme am Bildschirm gedreht, gezoomt und vermessen werden kann. Jeder Fühler, jedes Gelenk der Ameise kann - ähnlich wie eine Trickfilmfigur - auf dem Bildschirm per Mausklick bewegt werden.

Derzeit braucht der Scanner zwei bis fünf Stunden für ein Insekt. "Das könnte noch deutlich schneller gehen, unsere Software ist unvollendet. Sie funktioniert, ist aber noch nicht sehr effektiv", sagt Ströbel. Deshalb sollen noch Informatiker mit ins Boot genommen werden. Ein gemeinsamer interdisziplinärer Forschungsantrag bei der TU Darmstadt ist bereits gestellt. Auch einige Museen und Forschungseinrichtungen, darunter das Landesmuseum Darmstadt, haben bereits Interesse bekundet, um ihre Insektensammlungen digital zu archivieren. Die so archivierten Insekten stünden dann einer weltweiten Forschergemeinde zur Verfügung und die Sammlungen könnten in digitaler Form für künftige Generationen gesichert werden, denn die Präparate sind vom natürlichen Zerfall und Schädlingen wie dem Museumskäfer bedroht. Dessen Larven ernähren sich von Keratin und Chitin, tote Insekten in Sammlungsschränken sind für sie ein gefundenes Fressen.

Baupläne und Software sind kostenlos zugänglich

Baupläne und Software des Scanners sollen Interessenten kostenlos zugänglich gemacht werden. Heethoff und Ströbel hoffen, dass die Nutzer ihnen Feedback geben und helfen, den Scanner zu verbessern.

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Daraus könnte sich ein Kompetenzzentrum für digitale Archivierung und ein digitales naturhistorisches Archiv entwickeln. Eine Perspektive, die gut zur Digitalstadt Darmstadt passen würde, finden die Forscher.