MÖRFELDEN-WALLDORF - Lesung – Umweltaktivistin Cécile Lecomte stellt in Mörfelden Geschichten aus ihrem Band „Kommen sie da runter“ vor
Von ihren Erlebnissen erzählte Umweltaktivistin Cécile Lecomte im Mörfelder Bürgerhaus. Zudem stellte sie einige ihrer Kurzgeschichten vor.
Im lockeren Tonfall und mit französischem Akzent berichtete die Luftakrobatin Cécile Lecomte von ihren Kletteraktionen gegen Atomkraft, Umweltzerstörung und soziale Ungerechtigkeit. Viel mehr als eine Ordnungswidrigkeit konnte ein Gericht noch nie feststellen, dennoch lässt Lecomte die Sicherheitsorgane verzweifeln. Denn ihre Aktionen sind effektiv und nur schwer zu verhindern.
Auf Einladung der Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung stellte die Kletteraktivistin ihren Sammelband „Kommen sie da runter“ im Bürgerhaus vor. Bei der Bürgerinitiative erinnert man sich noch gut an die Umweltaktivistin, denn auch beim Protestcamp im Kelsterbacher Wald war sie dabei.
„Ich habe viel Zeit beim Klettern und deshalb angefangen, mir Notizen zu machen“, erklärte Lecomte, wie sie mit dem Schreiben ihres Buchs begann. Am Ende wählte sie 64 Kurzgeschichten aus, die trotz der Ernsthaftigkeit der Aktionen in unterhaltsamem Schreibstil daherkommen. Lebhaft schildert sie die Bemühungen von Polizei, Sondereinsatzkommandos und Justiz, den Kletterprotest zu verhindern oder Lecomte wenigstens schnell wieder aus Bäumen und von einer Brücke zu holen.
Im Lauf der Jahre stand sie so oft vor Gericht, dass sie sich gut genug auskennt, um andere Aktivisten als Verteidigerin zu vertreten. Und bei den Spezialeinheiten des Bundes kennt man Lecomte von Schulungsvideos, mit denen demonstriert wird, wie gegen Kletterprotest vorgegangen wird.
„Die Castortransporte sind der Schwachpunkt der globalen Atomindustrie“, sagte die Französin, die mittlerweile in Lüneburg wohnt. Nach mehreren erfolgreichen Aktionen wurden Transporte nach Russland, wo der radioaktive Abfall unter freiem Himmel lagert, eingestellt. Einmal hing sie sechs Stunden zwischen zwei Bäumen und blockierte so die Zugstrecke. Danach klickten die Handschellen. Vor Gericht warf man ihr Nötigung und gefährlichen Eingriff in den Schienenverkehr vor. „Ich war aber zu weit oben. Es gibt einfach kein höchstrichterliches Urteil für den Luftraum über den Gleisen“, erklärte Lecomte und lachte. Der Prozess endete mit einem Freispruch.
Konnte man bei absurden Episoden aus juristischen Verfahren nur den Kopf schütteln und schmunzeln, wurde am Ende der Lesung deutlich, wie erbittert die Sicherheitsbehörden gegen Lecomte vorgehen. Monate vor einem Castortransport wurde sie überwacht und schließlich für mehrere Tage in Langzeitgewahrsam genommen. Ohne Urteil und nur auf den Verdacht hin, dass sie wieder über den Gleisen klettern würde, sperrte man sie in eine weiß gekachelte Einzelzelle ohne Tageslicht. Lecomte setzte die Haft schwer zu, sie nimmt die Sonderbehandlung aber auch als Kompliment. Denn es zeige, wie effektiv ihre Aktionen sind und wie sehr sie den Betrieb der Atomindustrie stört.
Auch aus ihrer Heimat berichtete Cécile Lecomte. Bei einer Demonstration war sie zu Fuß unterwegs, als heranstürmende Polizisten sie brutal niederknüppelten. Aber auch hier ließ sie sich nicht unterkriegen und redete nur auf Deutsch mit den Polizisten. Schließlich sang sie ein Lied der Antiatombewegung, bis die Beamten beschämt zu Boden blickten. „Am Ende habe ich mich als Siegerin gefühlt.“
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