Von Sebastian SchwappacherMÖRFELDEN - Angesichts aktueller Entwicklungen sei es besonders geboten, an die Pogramnacht vom November 1938 und den bald darauf einsetzenden Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Mit diesem Appell gegen das Vergessen setzt Hans-Jürgen Rose zu seiner Rede über die Traditionspflege der Bundeswehr an. Der Oberstleutnant im Ruhestand sprach am Donnerstagabend auf Einladung der Aktion Toleranz am Gedenkstein für die einstigen Mörfelder Synagoge.
Als es nach dem Zweiten Weltkrieg darum ging, ein neues Militär aufzubauen, hätten Angehörige von Wehrmacht und SS einen entscheidenden Beitrag geleistet. Für Rose markiert dies einen „Geburtsmakel“ der Bundeswehr, der nicht wieder gut zu machen sei. Dadurch sei heute in Teilen der Bundeswehr leider angesagt, Soldaten als unpolitische Befehlempfänger und militärische Experten aufzufassen. Dabei brauche es etwas anderes.
Bevor Soldaten Marschieren und Schießen lernten, müsse man ihnen vermitteln, warum und wofür sie eigentlich in der Bundeswehr dienen. Einziger Zweck dürfe es sein, für Friedenssicherung und -bewahrung einzustehen. Pädagogische Anstrengungen während der militärischen Ausbildung müssten darauf abzielen, einen „Staatsbürger in Uniform“ heranzubilden. Und dieser habe vor allem zu wissen, wann es angebracht ist, zu gehorchen und wann nicht.
Aktion Toleranz erinnert an Judenverfolgung
Weiter forderte der Oberstleutnant im Ruhestand nicht nur eine Armee in der Demokratie, sondern vielmehr eine demokratische Armee. Im Grunde sei die Organisation der Bundeswehr demokratiewidrig, autoritär und hierarchisch. Demokratie dürfe aber nicht länger am Kasernentor aufhören, so Rose. Es gehe daher um nicht weniger als eine „Zivilisierung des Militärs“. Die Bundeswehr sei so umzubauen, dass sie Menschenrechten, demokratischen Anforderungen und der Friedenssicherung entspreche. Um dies zu erreichen, dürfe man die Armee nicht „rechts liegen lassen“. Für eine misstrauische Beobachtung brauche es Medien und Öffentlichkeit. „In diesem Sinn ist jeder Staatsbürger und jede Staatsbürgerin, sind wir alle gefordert“, schloss der Referent seine Rede.
Zuvor hatte Hans Seydel von der Aktion Toleranz an die Pogromnacht von 1938 erinnert und betonte, dass der Beginn der Judenvernichtung weder spontan noch unorganisiert ablief. Die Faschisten hätten die Plünderung von Geschäften und das Anzünden von Synagogen, Mord und Totschlag genau geplant. Dabei sei nichts von dem, was während der NS-Zeit ablief, ohne militärische Organisation denkbar. Es gelte daher, einen sehr wachen Blick auf die Bundeswehr und ihren Zustand zu werfen.
Seydel kam weiter auf die Taten des Bundeswehroffiziers Franco A. zu sprechen. Laut Ermittlungsergebnissen führte er eine Todesliste von Politikern, ließ sich als Flüchtling registrieren und plante Anschläge. Zuvor hatte er eine offen rassistische und nationalistische Abschlussarbeit bei der Bundeswehr eingereicht. Dies müsse man vor dem Hintergrund des Bundestagswahlerfolgs der AfD sehen, deren Spitzenkandidat Alexander Gauland angesichts der Leistungen der Wehrmacht Stolz empfinde. „Dieses braune Gedankengut kann in Deutschland im Jahre 2017 wieder offen angesprochen werden. Ob das in einer Tragödie endet oder eine Farce bleibt, liegt an uns“, betonte Seydel.
Bitte loggen Sie sich ein, um einen Kommentar zu diesem Artikel zu verfassen. Debatten auf unseren Zeitungsportalen werden bewusst geführt. Kommentare, die Sie zur Veröffentlichung einstellen, werden daher unter ihrem Klarnamen (Vor- und Nachname) veröffentlicht. Bitte prüfen Sie daher, ob die von Ihnen bei ihrer Registrierung angegebenen Personalien zutreffend sind.
Die Zeichenzahl ist auf 1700 begrenzt. Die Redaktion behält sich vor, den Kommentar zu sichten und zu entscheiden, ob er freigeschaltet wird. Kommentare mit rechts- oder sittenwidrigen Inhalten, insbesondere Beleidigungen, nicht nachprüfbare Behauptungen, erkennbare Unwahrheiten und rassistische Andeutungen führen dazu, dass der Kommentar im Falle der Sichtung nicht freigeschaltet, ansonsten sofort gelöscht wird. Wir weisen darauf hin, dass alle Kommentare nach einigen Wochen automatisch wieder gelöscht werden.
Die Kommentare sind Meinungen der Verfasser.