Von Birgitta LamparthSICHERHEIT Bauliche Brandschutzmängel: Warum im Staatstheater jeden Tag Brandwachen unterwegs sind
WIESBADEN - Das Thema Theater und bauliche Mängel beschäftigt viele Menschen in Wiesbaden und Umgebung. „Uns ist tatsächlich schon eine Ersatzspielstätte angeboten worden“, sagt Bernd Fülle. Das sei aber jetzt nicht zu entscheiden, „das wäre zu früh“, sagt der geschäftsführende Direktor des Theaters. Allerdings: „Wir haben uns der baulichen Situation des Staatstheaters mit Sorgfalt zu widmen.“ Und deshalb sei dazu ein Gutachten beauftragt worden.
Die Mängel mit Personal kompensieren
Fülle hatte bei der Vorstellung des Spielplans erstmals von Plänen einer Bestandsaufnahme gesprochen. Immerhin ist der größte Teil des Gebäudes über 120 Jahre alt. „Es ist sicher so, dass wir hier ordnungsgemäß arbeiten können, aber das an sieben Tagen in zwei Schichten – das ist schon eine sehr hohe Beanspruchung.“
Was man jetzt schon weiß: Bei einer Generalprüfung mit TÜV und Gutachtern wurden 400 Mängel festgestellt, der überwiegende Teil ist harmlos. Aber es gab auch 127 Mängel „gravierender Art“ – allesamt bezogen sich auf Brandschutzklappen an den Lüftungsanlagen. Im weitverzweigten System vom Keller bis unters Dach sollen sie verhindern, dass sich im Brandfall Rauch im ganzen Haus verteilt. Sobald Feuermelder ausgelöst werden, gehen die Klappen sofort zu. Allerdings: „Wenn man wegen der baulichen Situation an eine Klappe nicht herankommt, gilt auch sie als nicht geprüft – sie bekommt kein Siegel“, erklärt Fülle. Man könne die Brandschutzklappen zur Prüfung übrigens ohne Rauch nicht auslösen.
Also habe man überlegt: Was macht man? Bauliche Brandschutzmängel könne man nur mit verstärktem Personal kompensieren, erläutert Fülle. Seit September 2016 ist also eine Privatfirma, mittlerweile auch mit eigenen Kräften ergänzt, von Betriebsbeginn bis Ende im Haus unterwegs – an sieben Tagen die Woche. Die Wachen machen von sieben Uhr morgens bis Mitternacht Rundgänge, schätzen ein, ob es eine Gefahrensituation gibt. Eine Gefahr für Mitarbeiter und Zuschauer habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, versichert Fülle.
820 000 Euro kostet diese Maßnahme Stadt und Land pro Jahr. „Aber es wäre sehr aufwendig, die Klappen zu erneuern, auch finanziell“, sagt Fülle. Mit rund 2,3 Millionen Euro beziffert der geschäftsführende Direktor diesen Aufwand. Zumal die technischen Anlagen jetzt Bestandsschutz haben, „sobald bauliche Veränderungen vorgenommen werden, fällt das weg“. Das würde bedeuten, im ganzen Haus die Lüftungsanlagen zu erneuern – „und dann ist man bei einer zweistelligen Millionensumme“.
Imholz: „Wenn man erst mal eine Wand aufmacht...“
Auch Kulturdezernent Axel Imholz hatte diese Woche auf das Problem der Klappen hingewiesen. „Wenn man erst mal eine Wand aufmacht, fangen meistens die Diskussionen an, ob da noch eine größere Baumaßnahme kommt.“
Nicht jeder sieht diese Gefahr kommen. In der Zeit der Kultusministerin Ruth Wagner (FDP) habe es eine umfassende Sanierung gegeben, verweist Bernd Kummer auf den 2010 beendeten Umbau, vom Zuschauerraum bis zur Technik. Der frühere Regierungspräsident und langjährige Vorsitzende der Wiesbadener Theaterfreunde hat das hautnah mitbekommen: „Drei Theaterferien lang wurde gebaut.“ Das Land, in dessen Eigentum sich das Theater befindet, hätte sicher kein Geld in diese Maßnahmen gesteckt, „wenn das Haus marode wäre“. Das Alter der Bausubstanz sei „kein Indiz für einen Sanierungsbedarf“.
Für Bernd Fülle zählt der Faktor Zeit: Jetzt Schritte einzuleiten, um Mängel und Bausubstanz prüfen zu lassen, bedeute, dass man ein Gesamtkonzept entwickeln und womöglich erst in einigen Jahren tätig werden könne. Und das Haus werde sich in dieser Zeit nicht verbessern. „Man muss wissen, in welchem Zustand das Gebäude ist – und da hilft es auch nicht, über Regenrinnenreparatur und Farbanstrich zu reden.“
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