Normalerweise fangen Musiker mit dem Auftreten lokal an und weiten ihren Aktionsradius dann nach und nach aus. Bei „Julakim“, wie sich die 35 Jahre alte Bessungerin als Liedermacherin nennt, ist es genau andersherum. Sie ist in Darmstadt eher unbekannt, aber schon zwei Mal monatelang durch Brasilien getourt und spielte auch schon etliche Shows im europäischen Ausland. Dabei macht sie erst seit höchstens anderthalb Jahren Musik.
Ihrem Spiel und Gesang kann man das durchaus anhören. Die Akustikgitarre schrammelt gerne einfache Wanderklampfenakkorde, die Stimme wirbelt impulsiv durch Höhen und Tiefen, die Töne sitzen nicht immer astrein, aber es schwingt stets viel Verve mit.
Ihre Lieder zwischen Weltmusik und Protest-Folk mit hinterfragender Lyrik in Englisch, Deutsch oder Spanisch, sind ungeschliffen und experimentierfreudig. „Don’t panic be organic“, heißt eins – das sagt viel über Julakim aus und wie ihre Musik in die Welt kam.
Eigentlich ist sie Architektin, hat an der Technischen Universität studiert und gelehrt, ist längst selbstständig und beruflich immer wieder im Ausland unterwegs. In Mali hat sie eine Schule aus Lehm gebaut, in Brasilien entsteht derzeit ein „organisches Haus“.
Als sie sich Ende 2013 eine Auszeit nehmen und in Brasilien Urlaub machen wollte, kam sie auf die Idee mit der Musik und nutzte vorhandene Kontakte. Nach dreieinhalb Monaten kehrte sie zurück und war um zig Live-Erfahrungen reicher, gesammelt bei Auftritten in Bars, auf der Straße, bei Festen oder kleinen Festivals.
„Am Anfang bin ich gestorben auf der Bühne“, gesteht sie. Zwar hatte sie in Darmstadt schon mal spontan beim Frühlingserwachen oder den Jazz Conceptions improvisiert gesungen. Aber vor allem das Spiel mit der Gitarre war ungewohnt, sie hatte zuvor lediglich ein paar Monate Unterricht genommen. Doch Unsicherheit ist etwas, was Jula-Kim Sieber nicht stoppt, sondern anspornt. Vom bewussten „Sprung ins Schwarze“ redet sie dann.
Wenn sie aus ihrem Leben erzählt, fallen oft Namen anderer Orte und Menschen. Etwas Projekthaftes und Netzwerkendes begleitet ihr Tun. „Ich bin ein Mensch, der gerne was macht.“ Einfach in den Urlaub fahren und nichts tun, das ist nicht ihr Ding. „Ich lebe von und mit der Kunst und das sehr weit begriffen.“ Von Architektur bis Musik, von ausgebildet bis Anfängerstadium. Und: „Natürlichkeit ist mit wichtig“, betont sie. „Ich finde, wir sind manchmal zu zivilisiert.“
Das klingt auch auf ihrer CD durch. „Itufi“ ist sie nach dem ersten Song betitelt, das steht für „I think u fake it“. Auf der Scheibe besingt Julakim die „Sommerbrise“ und dankt auf der Rückseite „den Vögeln“. Sie huldigt einem einfachen Leben ohne Oberflächlichkeit. Und will damit auch in ihrer Unperfektheit ein Vorbild abgeben: „Mir geht’s darum, dass die Leute sehen, sie können einfach was machen.“
Allerdings macht sie auch die Erfahrung, dass das nicht immer einfach ist. Denn während sie in Brasilien munter durch die Gegend tourt, gerade war sie dort wieder drei Monate unterwegs, ist sie in ihrer Heimatstadt öffentlich bislang nur beim „Krone Slam“ vorigen Dezember aufgetreten.
„Es ist schwieriger hier“, stellt sie fest. Es werde erwartet, dass man ein gewisses Publikum mitbringe – andernfalls sei man uninteressant. Für Julakim kein Grund, sich abbringen zu lassen. „Don’t panic be organic“ – dieses Lebensmotto wird diesen Monat gleich zwei Mal live in Darmstadt erklingen.
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