Von Roland HeldDARMSTADT - Atelierbesuch – In Darmstadt bearbeitet Regina Basaran alte Dokumente mit dem Brandmalkolben
Es passiert ihr immer wieder mal, dass neugierige Bessunger plötzlich hereingeschneit kommen – Regina Basarans Atelier in der Karlstraße 104 ist so groß, dass man es für eine Galerie halten könnte. Derzeit entstehen dort Objekte, in denen sich Originalität mit Ernst kreuzt.
Wenn bei jemandem Zeige-, Ringfinger und Daumen gelb verfärbt sind, weckt das einen bestimmten Verdacht. Doch Regina Basaran winkt entschieden ab, outet sich als „militante Nichtraucherin“. Statt mit Zigaretten hantiert sie seit geraumer Zeit mit einem „Brandmalkolben“. Richtig – das ist das elektrische Gerät, dessen Spitze glühend heiß genug wird, um – sagen wir – urige Sprüche auf ebenso urige Holzscheiben zu gravieren. Die Darmstädter Künstlerin schafft damit Filigraneres.
Fundstücke aus einer Welt vor der Katastrophe
Ursprünglich nutzte sie die offene Flamme, um gefaltete Seiten aus Text- und Notenbüchern – im einfachsten Fall Kirchengesangbücher – so zuzusetzen, dass diese im wieder entfalteten Zustand Brandränder und -löcher aufweisen, symmetrisch wie beim Rorschach-Test. Unter Glas und gerahmt gewinnt man den Eindruck, es mit raren Dokumenten einer Welt vor der großen Katastrophe zu tun zu haben. Neuerdings rollt sie die feuerbehandelten Blätter, um sie in zylindrisch-hohe Einweckgläser zu stecken. Aus verschiedenen Winkeln studierbar, entfalten sie plötzlich plastische Präsenz. Und lassen den Blick dort durch, wo der Brandmalkolben das Papier weggefressen und Muster hinterlassen hat, die an Gänge des Borkenkäfers erinnern.
Wer bei den Objekten an die Qumran-Rolle, die älteste bekannte Bibelhandschrift, denkt, liegt auch nicht ganz schief. Beim Durchforsten von Flohmarkt-Angeboten bevorzugt Basaran Bücher religiösen oder stark weltanschaulichen Inhalts – gern mit knisterig-dünnem, vergilbtem Papier. Es gehe ihr nicht darum, „heilige Bücher zu verletzen“, beteuert sie. Was die sorgsame Präsentation der lädierten Relikte zu bestätigen scheint. Auch gibt es von ihr Arbeiten, für die sie etwa den Koran und die Bibel Seite und Seite ineinander gefächert, gleichsam versöhnt hat. Brücken zwischen unterschiedlichen Kulturen schlagen und auch ansonsten unerwartete Verknüpfungen schaffen, sei schon immer ihr Anliegen gewesen.
Ein bisschen liest man das auch ab an ihrem beruflichen Werdegang. Ziemlich früh stieß die in Darmstadt ausgebildete Architektin – Schwerpunkt: Innenarchitektur – auf das Feng Shui, die chinesische Harmonielehre, die sie so systematisch erlernt hat, dass sie sich heute Feng-Shui-Meisterin nennen darf. Da die erlernten Prinzipien übertragbar sind auf die Gestaltung von Arbeits- und Wohnräumen, nimmt sie besonders gerne Architekturaufträge an, wo sie ihre speziellen Kenntnisse einfließen lassen kann.
Zwischen Unterricht, Feng Shui und Kunst
Ohne falsche Scham bekennt sich Regina Basaran als zur Mehrzahl jener künstlerisch Tätigen gehörig, die auf Brotarbeit angewiesen sind, um sich das freie Schaffen leisten zu können. Beide Bereiche freilich gehen bei ihr ineinander über. Einschließlich des Mal- und Zeichenunterrichts, den sie in ihrem vergangenen Sommer erworbenen, hellen Bessunger Atelier für Schüler von 17 bis 70 anbietet.
Die eigenen Werkgruppen des zurückliegenden Jahrzehnts könnten unterschiedlicher kaum sein: Gemälde von Jazzmusikern in Action; am Computer Entstandenes, das Fotografie und Zeichnung per digitaler Schere ineinanderschneidet; farbig übermalte Fotos als Spiel von Zudecken und Entdecken. „Ich reize Ideen aus, bis sie mir langweilig werden“, sagt sie, „um dann wieder etwas Neues anzugehen.“
Nicht bei jeder Serie von früher ist es tragisch, dass sie zeitig wieder aufgegeben wurde – Regina Basaran, die es begeistert, wenn ihre Schüler sich entdecken, ging selber einen umständlichen Weg der Selbstentdeckung. Im Falle ihrer Brandobjekte jedoch lohnte es sich definitiv, wenn daraus eine längere Phase würde.
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